Hinweis: Diese Rezension ist auch als podcast im literatur RADIO bayern erschienen: https://radio.blm.de/radiobeitrag/fda-rezensionen….html
Wolfgang Herrndorf war Schriftsteller, sein Roman „Tschik“ ist bekannt und wurde mehrfach ausgezeichnet [6]. Wolfgang Herrndorf war krank, ein 2010 euphemistisch anfänglich „Raumforderung“ genannter Prozess im Gehirn war nicht heilbar, stellte sich als Glioblastom [5] heraus und bedeutete seinen so gut wie sicheren Tod. „So gut wie sicher“ weil T., auf den er verwiesen worden war und der ebenfalls vor Jahren diese Diagnose hatte, zumindest ein Beispiel dafür ist, daß ein Langzeitüberleben des Tumors prinzipiell möglich ist, wenngleich verschwindend gering wahrscheinlich. T. war wichtig, denn ein Gespräch mit ihm hat Herrndorf in seinem Entschluss bestärkt: “ … Seine [gemeint ist T.] Ärzte rieten nach der OP, sich noch ein schönes Jahr zu machen, vielleicht eine Reise zu unternehmen, irgendwas, was er schon immer habe machen wollen, und mit niemandem zu sprechen. Er fing sofort wieder an zu arbeiten….. Und wenn mein Entschluss, was ich machen wollte, nicht schon vorher festgestanden hätte, dann hätte er nach diesem Telefonat festgestanden: Arbeit. Arbeit und Struktur..
Bildquelle [4]
Herrndorf setzt sich Ziele. Er hat Manuskripte, Entwürfe zu Romanen, die er in den kommenden Monaten in Phasen manischer Schaffenswut fertigstellt. Er, der vorher eher zögerlich geschrieben und sich an Korrekturen aufgehalten hat, knallt die Texte jetzt mit – wie er schreibt – bis zu 600 Anschlägen in die Maschine [2], es sind Tage ohne Schlaf. So wird „Tschik“ fertiggestellt, auch „Sand“, sein Wüstenroman. Ferner führt er seinen Blog „Arbeit und Struktur“, erst als Mitteilungsmedium für seine Freunde und Bekannten, um nicht jede Frage nach dem Befinden x-mal beantworten zu müssen, später dann auf Drängen der Freunde öffentlich. Nicht immer ist es ihm eine Freude, der Blog wird, vor allem im späteren Verlauf, auch Last (23.2.2013 14:47: „Würde die Arbeit am Blog am liebsten einstellen. …„). Herrndorf ist viel draußen, Radfahren, Schwimmen, Fussball spielen, auch natürlich viel Kontakt mit Freunden. Er liest viel und immer wieder Arbeit. Wenige Monate vor seinem Tod zieht er in eine andere Wohnung, Freunde besorgen ihm eine mit Blick über Berlin, einer Terrasse… es gefällt ihm gut dort, jetzt, wo sein Tod absehbar ist, kann er sich zum ersten Mal eine Wohnung leisten…
Er muss viele Stunden vor dem PC verbracht und gegoogelt, Daten zu seinem Glioblastom zusammengesucht haben. Medikamente, Studien, Überlebenswahrscheinlichkeiten…. manchmal ergeben sich groteske Situationen: Herrndorf stößt auf eine ungünstige Studie, kurze Zeit später findet er eine Studie, die das Gegenteil ergeben hat…. Die ersten Monate nach der Diagnose sind davon geprägt, Informationen zu bekommen, in seiner Fantasie kämpft Herrndorf radikal gegen den Tod, ballert ihn einfach vom Schirm, wenn er als Gedanke auftaucht…. Herrndorf muss ein „angenehmer“ Patient gewesen sein, es ist nichts zu finden von Widerstand, Besserwisserei etc gegenüber den Ärzten. „Er bestrahlt gerne und ich werde gerne bestrahlt. Wir waren schnell einig.“ (dem Sinne nach zitiert), Galgenhumor, der aufblitzt.
Das volle Programm, Operation, Bestrahlung, Chemo. Nachuntersuchungen, Rezidive, nach zwei Jahren noch eine OP mit Nachbehandlungen, später noch eine…. Herrndorf kämpft, kämpft um Zeit. Frustrierend abgelehnte Bescheide der Krankenkasse, wenn es um nicht zugelassene Medikamente geht, die er dann privat bezahlt. Aber die Progredienz bleibt… Die Beschwerden nehmen mit der Zeit zu, Kopfschmerzen, Gesichtsfeldverengungen, Halluzinationen, Sprachverlust, Wortfindungsschwierigkeiten, epileptische Anfälle, Desorientierung, Depersonalisation.. die (ver)planbare Zeit bewegt sich für ihn im Bereich von wenigen Stunden, manchmal nur Minuten, sein Leben ist im „Jetzt“ gestrandet. Er liest viel, geht viel ins Kino, hält sich mit Disziplin aufrecht. Immer wieder weitere Pläne fürs Schreiben.
Es ist nicht so, daß er keine Wut hat. Doch, die hat er. Verbalggressiv erscheinen manche Kommentare zu Schriftstellerkollegen, andere dagegen sind euphorisch gut und positiv. Die vielen unerwünschten Briefe und Anfragen nerven ihn, die selbsternannten Heiler, die Esoteriker, die Handauflegen und schwarzen Kaffee empfehlen. Auch Bekannte sind nicht unbedingt willkommen, oft fühlt er sich bedrängt, belästigt. Die Zeit, die Lebenszeit wird ihm gestohlen. Diese ist kein (scheinbar) unerschöpfliches Reservoir mehr für ihn…
Ich habe an keiner Stelle des Blogs den Eindruck gewonnen, Herrndorf hätte je in Erwägung gezogen, einen therapeutischen Schlussstrich zu ziehen und zu sagen: das war´s jetzt, es reicht an OP und Bestrahlung und Chemo, ich lass den Dingen ihren Lauf. Bis zum Schluss, obwohl immer öfter auch Resignation durchscheint, war er zum Kämpfen bereit. In Gesellschaften – er geht noch in seine Stammkneipe – fühlt er sich zunehmen isoliert, kann Stimmen nicht mehr unterscheiden, ob sie innen oder außen sind….
„Arbeit und Struktur“ ist ein Papier gewordener Blog, redigiert und lektoriert zwar, aber doch ein Blog, kein (autobiographischer) Roman noch gar eine Autobiographie. Dies bedeutet gegenüber Kranken- bzw. Sterbegeschichten wie zum Beispiel den weiter unten verlinkten [8] zweierlei: (i) die Eintragungen sind weniger reflektiv. Sie geben Stimmungen wieder, Emotionen, Ereignisse, Fakten, Abläufe – natürlich kommen auch Gedanken zum Beispiel über das Sterben vor, aber sie beherrschen das Buch nicht. Daher ist „Arbeit und Struktur“ auch deutlich umfangreicher als andere Bücher ähnlichen Inhalts. Zum zweiten und damit zusammenhängend wird der Leser durch den Blogcharakter sehr viel näher an Herrndorf herangebracht. Wenn – im späteren Stadium der Krankheit – Herrndorf z.B. an x Tagen im Monat stark unter epilepetischen Anfällen leidet oder bei jedem Spaziergang orientierungslos in der Gegend herumirrt, liest man das im Blog eben x-mal, im Gegensatz zu autobiographischen Berichten, in denen solches dann zusammengefasst wird zu einem Phänomen.
Man ist als Leser sehr nah an Herrndorf dran. Liest man unter dem Datum 7.5.2012 11:40 z.B.: „Beim Blick auf die Analoguhr scheint der Sekundenzeiger stillzustehen, geht zwei, drei Schritte zurück und wandert weiter.„, weiß man, daß dies genau in dieser Minute für ihn so war [3]. Was Herrndorf schreibt, erfährt man als Leser nicht als rational zu verarbeitende Information, sondern als emotionale Herausforderung. Speziell bei den Einträgen der letzten Monate leidet man als Leser, es tut weh, es tut wirklich weh im Herzen zu lesen (und zu imaginieren), wie dieser Mann sich gequält hat mit den immer stärker zu Tage tretenden Defiziten. Der zeitweise Verlust der Sprache, der Kommunikationsfähigkeit, die für ihn konstituierendes Merkmal eines sich lohnenden Lebens war („Menschliches Leben endet, wo die Kommunikation endet, das darf nie passieren. … Das ist meine gräßte Angst.“), das stundenlange Herumirren im Berliner Straßengewirr – manchmal nur wenige -zig Meter vom Ziel, wo er hin wollte, entfernt… Stimmen, Gespenster, die ihm erscheinen…
22.6.2012 21:10
Linker Fuß taub, mildes Schwanken
Es gibt Passagen in diesem Buch, die mich – ohne daß ich dies wollte – an Egners „Tagebuch eines Trinkers“ erinnern. Ähnliche skurrile, groteske Situationen, nicht zusammenpassende Formulierungen… aber sind sie sich nicht ähnlich? Wo beim Trinker der Alkohol das Gehirn zerhagelt hat, hat dies bei Herrndorf der Glioblastom besorgt, raumgreifend verdrängt es, zerstört, zermetzgert es das Hirn, wuchert immer weiter hinein, übernimmt langsam aber sicher das Kommando, was sich nach außen hin als sukzessive Zerstörung eines Individuums zeigt: „Die Welt löst sich auf.“ (23.8.2011 14:51). Träume, Alpträume, in ihnen manifestieren sich Angst und Trauer. Er kann sich offensichtlich gut an seine Träume erinnern, viele schildert er uns…
6.1.2011 20:26
Mit der Diagnose leben geht, Leben ohne Hoffnung nicht. …
14.7.2012 9:43
Man kann nicht leben ohne Hoffnung, schrieb ich hier vor einiger Zeit,
ich habe mich geirrt. Es macht nur nicht so viel Spaß. …
Was mich ein wenig schockiert hat, war folgende Eintragung vom 28. Mai 2010, immerhin fast ein Vierteljahr nach dem Auftreten der Beschwerden, nach OP und Bestrahlung: „Patrick fragt unbefangen und ausführlich nach. Der Erste.“ Der Erste, der sich bei Herrndorf erkundigt nach seinem Leben, nach seinem Fühlen, nach seinem Schicksal. Wie traurig! Und diese Trauer, auch Enttäuschung, denke ich, läßt sich auch im Eintrag wiederfinden…. Anderthalb Jahre später, am 17.11.2011 schreibt Herrndorf in seinen Blog einen Eintrag, den sich jeder von uns hinter die Ohren schreiben sollte: „Janko, den ich kaum kenne, der beide Eltern durch Krebs verloren hat, kommt jedes Mal beim Fußball auf mich zu und fragt, wie´s mir geht. Und dann sage ich, gut geht es mir, weiter nichts, und das ist eine solche soziale Wohltat, einfach die Meldung, dass er weiß, was da ist, dass da was ist, und dass ich weiß, dass er es weiß, mehr braucht es gar nicht.„
Herrndorf hat bis zum Schluss allein gelebt. Oft waren zwar Bekannte bei ihm, diese waren auch jederzeit telefonisch erreichbar, aber vieles hat Herrndorf auf sich gestellt durchleben und -leiden müssen. Wollte er es so? Ich denke ja, er spricht an einigen Stellen von seinen mangelhaften Sozialkontakten in früheren Zeiten…
Der Befund eines Glioblastoms ist ein Todesurteil. Der Zeitpunkt kann durch Operation und andere Therapien nach hinten verschoben werden. In der Statistik der Überlebenszeiten hat sich Herrndorf gut geschlagen… aber zum Schluss ging es nicht mehr, einen – so sagen es seine Freunde im Nachwort – der wohl letzten Tage, an denen er dazu in der Lage war, setzte er seine Exitstrategie um. In diesem Sinn hat er die Kontrolle über sein Leben nie aufgegeben.
„Wolfgang Herrndorf hat sich am Montag, den 26. August 2013 gegen 23.15 Uhr
am Ufer des Hohenzollernkanals erschossen.“ [1]
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Herrndorf hat, dies ist mir jetzt aufgrund eines Kommentars bei facebook deutlich geworden und dies ist es wert, hier festgehalten zu werden, trotz seiner Krankheit, trotz des Wissens, zu sterben, bald zu sterben, gelebt. Auch das geht aus dem Buch/Blog hervor. Er hat gelesen, gedacht, diskutiert, gelacht, ist in Urlaub gefahren, ist spazieren gegangen, hat mit Freunden was unternommen: er hat gelebt, intensiv, bewusst und konzentriert. Und dies macht Mut! Selbst sterben ist nichts, was ausserhalb des Lebens steht, man lebt bis zum Tod.
Mit „Arbeit und Struktur“ hat Herrndorf, obwohl dies ursprünglich nie seine Absicht war, einen sehr intensiven und detaillierten Bericht über den Verlauf seiner Hirntumorerkrankung gegeben. Es ist ein Buch über einen Krankheitsverlauf, der sukzessive umschlägt in ein Sterben, in ein Protokoll über das Sterben eines Menschen, das dieser wohlüberlegt und eigenverantwortlich abkürzt, um seine Würde auch im Tod zu wahren. Damit wirft Herrndorf eine Frage in den Raum, die in unserer Gesellschaft sehr kontrovers diskutiert wird: die Frage der (wie der Spiegel (print) am 03.02.2014 titelt:) „Letzten Hilfe“ [7]. Herrndorf entscheidet sich für den Suizid, den eigenverantwortlich bestimmten Zeitpunkt, in den Tod zu gehen. Dieser von ihm „Exitstrategie“ genannte Plan war für ihn über die gesamte Krankengeschichte ein Sicherungsanker, nie konnte ihn die Angst vor einem unwürdigen (was immer er darunter auch verstanden haben mag) Ende packen. Die Diskussion um diesem Punkt ist im Gange, auch in Deutschland. Andere Länder haben andere Regelungen, es zeigt sich aber zum Beispiel, daß vielen Menschen es oft schon ausreicht, überhaupt die Möglichkeit zu haben, sich selbst zu Tod zu bringen, sie diese aber nicht ausschöpfen, sondern sie eines natürlichen bzw. krankheitsbedingten Todes sterben. Herrndorf ist nachts hinaus gegangen an den Hohenzollernkanal, er hat sich die Stelle wohl vorher ausgesucht. Er ist allein gestorben, nie werden wir wissen, ob er Angst hatte, ob er in sich ruhte oder ob er sich einsam und verlassen fühlte….
Links und Anmerkungen:
[1] Blog „Arbeit und Struktur“, Beitrag unter dem Titel „Schluss“: http://www.wolfgang-herrndorf.de/2013/08/schluss/, Link zum Blog: http://www.wolfgang-herrndorf.de/archiv/
[2] das ist schon recht schnell, vgl: http://de.wikipedia.org/wiki/Anschläge_pro_Minute
[3] im übrigen ist dies auch der Grund, warum ich beim Schreiben der Buchvorstellung immer wieder ins Präsenz rutsche, obwohl natürlich der Imperfekt angebracht wäre…
[4] Wiki-Artikel zu Wolfgang Herrndorf: http://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Herrndorf
Bildquelle: By Genista (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)%5D, via Wikimedia Commons
[5] Wiki-Artikel zu Glioblastom: http://de.wikipedia.org/wiki/Glioblastom
[6] Deutscher Jugendliteraturpreis 2013: http://www.djlp.jugendliteratur.org/jugendbuch-3/artikel-tschick-129.html
meine Besprechung des Buches ist hier zu lesen: https://radiergummi.wordpress.com/2017/03/12/wolfgang-herrndorf-tschick/
[7] Letzte Hilfe: Spiegel 6/2014: http://www.spiegel.de/spiegel/index-7768.html
[8] Elisa Albert: Das Buch Dahlia
Harold Brodkey: Die Geschichte meines Todes
Wolfgang Bergmann: Sterben lernen
Peter Noll: Diktate über Sterben und Tod
Cesarina Vighy: Mein letzter Sommer
weitere Bücher zum Thema sind auf meinem Themenblog zu finden: http://mynfs.wordpress.com
vgl. auch die Diskussion zum Buch bei facebook: https://www.facebook.com/groups/rezis/permalink/620305418042558/?stream_ref=2
Hinweis: Diese Rezension ist auch als podcast im literatur RADIO bayern erschienen: https://radio.blm.de/radiobeitrag/fda-rezensionen….html
Wolfgang Herrndorf
Arbeit und Struktur
diese Ausgabe: Rowohlt, HC, 448 S., 2013
Das Buch liegt noch hier, ich habe es mir gleich bei Erscheinen gekauft, traue mich jedoch nicht heran. Habe stattdessen noch mal Tschick zur Hand genommen, ein seltsames Lesegefühl. Nun kommt hoffentlich bald auch Arbeit und Struktur dran. Danke dir schon mal für deinen Einblick.
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„tschik“ wiederum kenne ich nicht… ;-)
liebe caterina, nur mut zu „arbeit und struktur“, aber zwing dich nicht. es ist ein thema, für das man offen sein sollte und bereit. der gedanke, daß der inhalt dieses buches keine fiktion ist, sondern richtiges leben beschreibt, kann beklemmend sein, auf jeden fall. aber wenn du es liest, wirst du auch belohnt werden mit eindrücken von einem sehr intensiven leben.
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Einfach nur danke für diesen Beitrag. Möge er manchen die Synapsen reizen.
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ein interessanter wunsch, klandestiner dichter! :-)
es freut mich, daß dir der beitrag gefallen hat. es ist immer eine herausforderung, so einem schwierigem buch, das ja zuvörderst auch ein schwieriges schicksal umfasst, gerecht zu werden, aber es klingt so, als sei mir das gelungen. dafür dir dank!
lg
fs
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Es ist und bleibt mir immer wieder eine Lesefreude klandestin bei Ihren Beiträgen meinen alten Geist zu erfrischen. Ich danke sehr.
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Da haben wir ja nach Tukurs „Spieluhr“ schon wieder ein zeitgleiches Leseerlebnis! Wie Du beschreibst, ist auch mir in Herrndorf Blog ganz besonders die Frage der Selbstbestimmung aufgefallen: Ein selbstbestimmtes Leben während der Erkrankung, was ja angesichts der medizinischen Routinen und des Lebens in Krankenhäusern nicht so selbstverständlich ist, indem Herrndorf sich Ziele setzt, aber auch schaut, Dinge zu tun, die ihm Freude bereiten, und vor allem einen selbstbestimmten Tod. Beide Aspekte, die man ja auch Würde nennen kann, haben mich sehr beeindruckt. So habe auch ich mehr den Mut zum Leben aus Herrndorfs Aufzeichnungen gelesen als nur die Chronik einer tödlichen Erkrankung. Und auch wenn Herrndorfs Forderungen zu einem selbstbestimmten Tod sehr weit gehen, scheint mir doch eine Diskussion darüber sehr wichtig.
Vielen Dank für Deine Leseeindrücke und viele Grüße, Claudia
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mit diesen begriffen ist es so eine sache… herrndorfs leben und sterben war ja alles andere als selbstbestimmt, im gegenteil, es war extrem fremdbestimmt durch die erkrankung. alles, was er gemacht oder auch nicht mehr gemacht hat, war nur unter den randbedingungen, die ihm der krebs oktroyierte, möglich (oder nicht mehr möglich). aus diesem grund habe ich mich für den begriff: „eigenverantwortlich“ entschieden, obwohl… es ist kompliziert ;-)
ja, die diskussion um den eigenverantwortlichen tod kommt in gang, sie ist auch richtig. aber man muss sich im klaren darüber sein, daß es nicht die lösung geben wird, mit der jeder leben (und sterben) kann. trotzdem darf meiner ansicht nach die gefahr von missbrauch (ein gegenargument ist ja, daß sich ältere menschen gedrängt sähen könnten….) kein totschlagargument für eine regelung sein…
btw: du hast das buch aber noch nicht auf deinem blog besprochen, oder? ich habe es jedenfalls nicht gefunden….
liebe grüße
fs
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Natürlich ist der Entscheidungsspielraum bei einer Krebsdiagnose nicht mehr umfassend, einmal mit Blick auf die Diagnose, zum anderen durch die doch kräfte- und nervenaufreibenden Einpassung in die medizinischen Notwendigkeiten. Trotzdem, und das habe ich auch im Familienkreis beobachtet, ist der Wunsch und auch die Tatkraft, vor diesem Hintergrund möglichst selbst- oder eigenverantwortlich zu entscheiden, sehr groß. Und dieses Handlungsmotiv lässt sich ja auch bei Herrndorf finden. — Die Diskussion um eigene Entscheidungen beim Sterben ist wirklich komplex und kompliziert. Der eigenen Entscheidung stehen ja tatsächlich ganz schnell, auch vor dem Hintergrund einer älter werdenden Gesellschaft, wirtschaftliche Interessen gegenüber: börsennotierte Krankenhäuser haben ja auch einen Blick auf ihren Kurs und ihre Dividende, und schon bei der Rente werden gerade ganz aktuell die Generationen „schön“ gegeneinander ausgespielt. Und diese wirtschaftlichen Überlegungen hat Herrndorf ja selbst auch erlebt, als sein Schlüsselbeinbruch zunächst einmal nicht operierte werden sollte. — Und meine Rrezension gibt es gleich :-).
Viele Grüße, Claudia
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