Henry Miller: Stille Tage in Clichy

Das 1940 geschriebene und später überarbeitete Büchlein von Miller ist über weite Teile ein Schätzchen. Er spielt im Paris der 30er Jahre, die beiden Hauptpersonen sind die Amerikaner Joey und Carl, die beide schreiben (wobei Carl noch einen Job hat). Das Geld ist meist so knapp wie der Kühlschrank leer, aber der Lebensfreude der beiden tut dies keinen Abbruch.

Episodenhaft schildert Miller das Leben der beiden, Frauen und Schreiben spielen darin die Hauptsache. Unschwer ist zu erkennen, daß sich Miller selbst in diesem Roman wiederfindet, er, der 9 Jahre in Paris lebte und dort diese „schrecklichen Bücher“ schrieb, die in Amerika nie, in Frankreich dagegen schon veröffentlicht werden konnten – zumindest, wenn der Verleger den Mut dazu hatte (vgl. dazu auch die „7 Minuten„).

Frauen spielen eine Hauptrolle in diesem Buch, meist Professionelle, die alle auf die eine oder andere Art „verrückt“ sind, liebenswert sind. Geld habe beide nicht, weder die Frauen, die es sich von Carl und Joey erhoffen, noch die beiden Kerle, die sich nicht zu fein sind, die Huren, die sie mit falschen Versprechungen aufgaben, zu betrügen. Gelacht wird viel in diesen Szenen, es wird ein trotz der materiellen Not glückliches Boheme-Leben gelebt.

In nachdenklichen Minuten philosophiert Joey über sich und Paris, das Buch ist auch eine einzige Liebeserklärung an diese Stadt, an ihre Häuser, Plätze, ihre Kirchen, ihre Straßen, ihre Menschen, ihre Frauen. Kein anderer Platz auf der Welt kann mit Paris konkurrieren und hier ist es besonders Montmatre, welches es Joey angetan hat. Ein Kurztrip nach Luxemburg, das ihnen öde und langweilig vorkommt, wo ihnen der aufkeimende Nationalsozialismus begegnet („Dieses Cafe ist judenfrei“, Miller hat das Buch 1940 geschrieben, die Handlung aber ein paar Jahre noch vorne verlegt), bestätigt ihnen dies, lieber in Paris auf der Straße leben als in Luxemburg im feinen Hotel.

Das Buch beginnt mit so einer Eloge auf Paris, das er in Gedanken mit seiner amerikanischen Heimat vergleicht. Der Broadway ist ihm eine sterile Lichtershow, Montmatre dagegen ist „…verbraucht, verblichen, verwahrlost, nacktes Laster, käuflich, vulgär. Es ist eher abstoßend als anziehend, aber so verführerisch abstoßend wie das Laster selbst….. Dieser hinterhältige Zauber ist… zum größten Teil dem Sex zuzuschreiben, der hier unverblümt gehandelt wird. …. viel betörender und viel verführerischer als der strahlend illuminierte Broadway““ Und hier lernt Joey „seine“ Huren kennen – und lieben, auf seine Art, wie die schöne Nye, der er seinen letzten Franc gibt.

Im zweiten Teil des Buches wird die Begegnung Joeys mit Mara beschrieben, die ihn an seine verlorene Liebe Christine erinnert. Es ist eine romantische Begegnung mit dieser etwas linkisch wirkenden Hure, die so ganz anders ist als die anderen, die Joey so kennt. Miller stellt uns diese Mara sehr detailliert vor, mit ihrem zerfressenen Umhang, ihrem Hunger, den sie leidet, dem nicht endenwollenden Radebrechen in Englisch, der Freude in Joey jemanden gefunden zu haben, der sie reden läßt…. die Freuden sind manchmal so klein, wie schlecht muss es Menschen gehen, die sich nach solchen Kleinigkeiten sehnen müssen.

Facit: Ein schönes, ruhiges, fröhliches, freches Buch mit besinnlichen Momenten, ein Klassiker, immer wieder gut mal in die Hand zu nehmen!

Verfilmungen:

1970, Dänemark
1990 Chabrol

Links:

Über den Autor

Henry Miller
Stille Tage in Clichy
Rowohlt Tb.
ISBN-10: 3499151618
ISBN-13: 978-3499151613

5 Kommentare zu „Henry Miller: Stille Tage in Clichy

    1. Wow!! da hat aber jemand in den alten Sachen gewühlt… *lol*

      danke für deinen kommentar. mein tb ist leider ohne bilder, aber ich könnte ja glatt mal im zvab schauen, den habe ich eh gerade geplündert…. die kürzeren sachen von miller habe ich ganz gerne gelesen, die langen romane, die, die sich auf -xus reimen, habe ich nie durchgehalten…

      jetzt merk ich gerade, das habe ich 2008 schon mal geschrieben. na, auch egal. ist es dieses mal halt nur und exclusive für dich!

      lg

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  1. Ich habe von Miller noch Bücher im Regal, seit Jahrzehnten teilweise, die ich seinerzeit aber einfach nicht lesen konnte (Plexus, Nexus…). Von daher ist meine Einstellung zu ihn eher zwiespältig, das kurze „Clichy“ hat mir gut gefallen, an die langen Romane … vielleicht sollte ich mich einfach mal wieder dran trauen und einen anlesen…

    Paris.. ist lange, sehr lange her bei mir, aber immer noch mit ein paar wunderschönen Erinnerungen verknüpft…..

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  2. Ich mag Millers Art und das Buch, von irgendeinem Flohmakt, ist hier irgendwo in meiner Wohnung. Sobald es mir in die Hände fällt, werd ich es wohl endlich einmal lesen,da ich erst kürzlich in Paris war.
    Karen

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