Hermann Hesse: Das Glasperlenspiel. Von und mit Moritz Stoepel

Der Suhrkamp-Verlag beauftragte seinerzeit den Frankfurter Schauspieler und Theatermenschen Moritz Stoepel anläßlich des 125jährigen Geburtstages Hermann Hesses, dessen Opus Magnum, das Glasperlenspiel, auf die Bühne zu bringen. Die erste Fassung dieses Unternehmens war fünf Stunden lang, wie Stoepel am Samstag bei der Aufführung in Lahnstein, einem kleinen Städtchen an der Mündung der Lahn in den Rhein, selbst erzählte. Angesichts dieser telefonisch übermittelten Auskunft fiel der Produktionsleiter des Verlages wohl in Scheintöte, jedenfalls herrschte nach dieser Mitteilung am anderen Ende der Telefonleitung absolute Stille. Aber auch die jetzt auf die Bühne gebrachte Fassung des Buches ist noch gute zwei Stunden lang und fordert selbst in diesem Umfang den Zuhörer voll und ganz. Ihm kommt damit, laut Stoepel, der schwierigere Part des Aufführung zu, denn er als Schauspieler auf der Bühne könne sich ja austoben und alles raus lassen, während wir still sitzen und zuhören müssten… ;-)

Veranstaltungort der Aufführung war die wunderschöne, etwas versteckt in der Altstadt Lahnsteins liegende Hospitalkapelle, ein ideales Ambiente für dieses Stück, das bis auf den letzten Platz besetzt war. Den größeren Rahmen für dieses Ereignis bildete die Veranstaltungsreihe „Gegen den Strom“ im Rahmen des Kultursommers Rheinland-Pfalz.

Wie bringt man nun dieses recht handlungsarme, gedankenlastige Werk Hesses auf die Bühne? Nun, Stoepel kombiniert dazu alle die Fähigkeiten, die er hat: den Gesang, diverse Musikinstrumente, das Schauspielern, das Rezetieren, seine gesamte Ausstrahlung… zu einem einzigartigen Wort- und Klangteppich, der in die Gedankenwelt des Spiels eintaucht.

Das Buch ist die Geschichte des Magister Ludi Josef Knecht, der schon frühzeitig auf sich aufmerksam macht und der von den Lehrern und Magistern der pädagogischen Provinz Kastilien an ihre Schule genommen und in der Tradition dieser geistigen Bewegung erzogen wird. Das Glasperlenspiel selbst ist kaum erklärbar, vorstellen kann man sich noch die Ursprünge, die in gewisser Weise an die antiken Abaki erinnern, die weiterentwickelten und stets komplexer werdenden Ausformungen entziehen sich der Anschauung und stehen immer mehr nur als Metapher für ein stetig ritueller und spiritueller werdendes Geistesgebäude, in dem die Künste und die Wissenschaften, allen voran die Musik und die Mathematik sich vereinigen und gegenseitig befruchten sollen.

Knecht ist bald einer der hervorragendsten Schüler, nach Beendigung der Schule und dem anschließenden freien Studium wird er vom amtierenden Magister Ludi mit einer Aufgabe betraut, die ihn in die reale Welt außerhalb Kastiliens führt, in ein Kloster. Dort begegnet ihm ein ebenfalls hochgebildeter Mönch, Pater Jakobus, dieser aber ein Bewohner und Verteidiger der realen Welt gegen die Weltfremdheit Kastilien. Die beiden freunden sich an, respektieren sich gegeneinander und wachsen aneinander. Und – so wie es sich später erweisen wird – diese Bekanntschaft legt einen Keim in Josef Knecht, der viele Jahre später reifen wird.

Der Magister Ludi stirbt und trotz seiner jungen Jahre wird Josef Knecht zu seinem Nachfolger berufen. Er nimmt die Verantwortung an und führt sein Amt viele Jahre mit großem Ernst und Erfolg. Aber dann trifft einer seiner alten Mitschüler in Kastilien ein, ein ehemaliger Hospitierender, ein Mensch, der in der äußeren Welt lebt – und leidet. Diese Auseinandersetzung mit Designori, dem alten Freund und Knecht ist der Höhepunkt der Aufführung, hier prallen reale Welt und die geistige aufeinander, der alte Vorwurf, daß Kastilien sich vom richtigen Leben, von den richtigen Menschen losgelöst hat und in einem eigenen Universum abgehoben über allem schwebt, bringt in Knecht den vor langer Zeit gelegten Keim des Zweifels zum Wachsen.. Stoepel führt dieses Zwiegespräch zwischen Designori und Knecht fulminant auf… Designori, der Knecht seine Verzweiflung, aber auch seine Wut entgegenschleudert, Designori, der an der Welt buchstäblich erkrankt ist wird von Stoepel mit großer Sprachgewalt gespielt, er schleudert seine Anklage förmlich ins Publikum bzw. dem nur zögerlich antwortendem Knecht ins Gesicht… dies zweifellos einer der Höhepunkte der Aufführung….

Knecht reist in die richtige Welt außerhalb des auf sich selbst bezogenen Kastiliens, besucht Designori und seine Familie öfter bis der Entschluss reif ist: „Er war entschlossen, sich aus den Fesseln seiner jetzigen Lage zu lösen und für Aufgaben, die er auf sich warten fühlte, frei zu machen. ..“ Und so geschieht es. Knecht verläßt Kastilien im Streit, unverstanden von der Behörde und den Meistern und er wird Erzieher des Sohnes von Designori, heiter verläßt er den Ort, der ihm zu eng geworden, dem er nun entwachsen ist, um der lähmenden Gewöhnung zu entrinnen…

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen….

****

Dies soll als Kürzestfassung des Inhalts dienen, ich maße mir nicht, so ein Werk weiter zu interpretieren. Stoepel in seiner Aufführung jedoch tut dies, natürlich musste dieser den Roman kürzen, ihn konzentrieren und auch arrangieren. Er liest die Texte nicht, er spielt sie, er ist Knecht, ist Designori, ist Pater Jakobus und auch Alexander, Leiter der kastilischen Behörde. Er läßt die Musik sprechen und die Klänge, schafft Atmosphäre und Dichte, er erschreckt, rüttelt auf und schlägt den Zuschauer/-hörer in Bann. Die Aufführung ist ungeheuer intensiv, und auch Stoepel merkt man nach der Vorstellung die Ergriffenheit und die Konzentration an, die er mit Selbstironie sympathisch überspielt.

Zu kurz noch der langanhaltende Applaus für dieses aussergewöhnliche Ereignis.

Zur Webseite von Stoepel: http://www.moritzstoepel.de/

13 Kommentare zu „Hermann Hesse: Das Glasperlenspiel. Von und mit Moritz Stoepel

    1. das freut mich sehr, liebe vera! ich habe stoepel neulich wieder mit einem anderen thema über „revolutionäres..“ erlebt, auch dies war – und das ist wahrlich keine überraschung – ein wunderschöner, poetischer abend voller intensität und sensibilität!
      liebe grüße
      fs

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  1. Lieber flattersatz,
    auch ich bin Dir für diese Besprechung dankbar. Ist doch das Buch immerhin Namensgeber für meinen Blog. Die Vorstellung in Frankfurt hab ich mir ebenfalls notiert.
    @Veronika: Im Programm des Internationales Theaters taucht aber das Stück noch nicht auf.
    Liebe Grüße

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    1. liebe bücherliebhaberin, (da du deine anmerkung nicht als antwort zum kommentar gepostet hast,) ich habe die bemerkung an veronika weiter geleitet. ansonsten hat moritz stoepel außer der homepage auch eine fb-seite, die entsprechend aktualisiert wird und der termine zu entnehmen sind… obwohl ich jetzt gerade gesehen habe, daß gerade der lahnstein-termin wohl nicht drin ist.. ach, es ist kompliziert. :-)

      dir auch liebe grüße und wünsche für den tag!
      fs

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    2. Hallo Bücherliebhaberin,
      das Internationale Theater ist da manchmal nicht so schnell mit der Veröffentlichung der Termine. Aber auf der website von Moritz Stoepel (www.moritzstoepel.de) sind alle aktuellen Termine zu finden. Herzliche Grüße!

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  2. Lieber Flattersatz,

    habe gerade im Terminkalender von Herrn Stoepel nachgeschaut und entdeckt, daß er am 18.11. hier in Frankfurt im Schauspielhaus gastiert….da werde ich versuchen, eine Karte zu ergattern, denn dieses Buch „gespielt“ zu sehen, ist vielleicht sogar erquicklicher als es zu lesen…..es ist ja alles andere als einfach und man braucht einen langen Atem….
    Ich habe ihn auch schon in Hanau erlebt, er steigt in all seine Projekte mit einer unheimlichen Energie und Verausgabung ein….bewundernswert.
    Schön, daß Sie ihm hier Raum geben……

    mit einem lieben Gruß
    die immer neugierige
    Karin

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    1. Hallo Karin,
      wir freuen uns, wenn Sie am 18.11. das Glasperlenspiel mit Moritz Stoepel sehen wollen. Aber beachten Sie bitte: es ist nicht im Schauspielhaus sondern beim INTERNATIONALEN THEATER (in der Zoopassage)!
      Herzliche Grüße, Veronika

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