Karen Duve: Taxi

husch.. gekauft und praktisch in einem Rutsch durchgelesen. Was einerseits heißt, daß das Buch gut geschrieben ist, der Inhalt kurzweilig und unterhaltsam. Andererseits bedeutet es aber auch, daß tiefere Erkenntnisse aus dem Buch nicht zu schöpfen waren (für mich), aber das muss ja auch nicht sein, der Alltag, das Leben, gut erzählt – hat ja auch was.

Die Ich-Erzählerin Alex Herwig bewirbt sich, nachdem sie die Arbeit bei einer Versicherung geschmissen hat, um die Stelle als Taxifahrer, mit wenig Illusionen, denn es war klar, daß dies eine Stelle war, bei der man jeden nimmt. Trotz ihrer Gedächtnisschwäche erhält sie einen Taxischein und die Stelle. Fortan schrumpft ihr Leben zusammen auf den Kosmos, den die Nachtschicht ihr bieten kann: ein Sammelsurium von mehr oder weniger gestrandeten Existenzen im Kreise ihrer Kollegen und eben die Passagiere, die sie zu befördern hat und die in ihrer Wertschätzung (wenn überhaupt) nur knapp über der von Schweinen liegen.
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Sie fährt bis zur Erschöpfung, schläft, fängt mangels anderer Gelegenheiten mit einem Kollegen ein Verhältnis an. Ihr soziales Leben verkümmert, im Winter sieht sie über Monate die Sonne nicht. Sie verloddert, läßt sich gehen in jeder Beziehung. Ihr Leben besteht nur noch aus Taxifahren und Schlafen, schon Einkaufen wird ein Problem. Die Wäsche wird noch zu Mutti gebracht und bei ihrem Freund bleibt sie nur, weil sie keinen Schwung hat, zu gehen.

Im Grunde ist im gesamen Roman Duves kein einziger sympathischer Charakter. Selbst Alex, die Fahrerin von „Zwodoppelvier“ zeigt mehr negative als positive Eigenschaften. Ob es nun Dietrich ist, mit dem sie zusammenlebt, der sie aber nach seiner Vorstellung formen will oder Rüdiger, der bei jeder Gelegenheit über die natürlich Unterlegenheit der Frau gegenüber dem Mann schwadroniert, Sympathieträger treten in dem Buch nicht auf. Am ehesten kann man noch Marco nennen, den Kleinwüchsigen, mit dem Alex sich einläßt, ohne sich aber entschließen zu können, es ernst zu meinen. Oder Nusske, der am Ende des Romans noch eine kleine Rolle spielt und sich für den Taxiladen aufreibt.

Die Passagiere sind kaum anders. Betrunkene, Geizhälse, Schläger, Grabscher – die ganze Facette von Underdogs, die Duve hier in das Taxi von Alex einsteigen und dann von ihr durch Hamburg kutschieren läßt. Da Duve selbst lange Jahre Taxi gefahren ist, ist zu befürchten, daß hier auch ein gewaltiger, eigener Erfahrungsschatz mit eingeflossen ist (auch Alex versucht sich, allerdings mangels Selbstbewusstsein, erfolglos, im Schreiben). Im ganzen gesehen eine düstere Welt, die Duve schildert, so düster wie das Zimmer von Alex, in das durch die mit Vorhängen verschlossenen Fenster keine Sonne dringt. Die Bilanz ihres Lebens nach Jahren des Fahrens liegt bei einigen -zig Mark im Portemannaie, die kaputten sozialen Kontakte und ihre Lebensuntüchtigkeit nicht gerechnet.

Das Buch endet mit einer skurrilen Entführungsgeschichte, bei der Nusske endlich den ersehnten Totalschaden erhält und man hoffen kann, daß auch Alex (in gewisser Weise) jetzt die Kurve kriegt. Nicht verstanden? Dann müßt ihr doch das Buch lesen, ich verrat ja nicht alles.

Links:

hier kann man mal reinhören….

Facit: Auf jeden Fall lohnt es sich, das Buch zur Hand zu nehmen. Wie beschrieben, es ist schnell durchgelesen. Und das ist positiv gemeint.

Karen Duve
Taxi
Eichborn Mai 2008
ISBN-10: 3821809531
ISBN-13: 978-3821809533

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