Ray Bradbury: Der illustrierte Mann

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„Der illustrierte Mann“ [3] von Bradbury [1] ist eine Sammlung von 17 Erzählungen, die sehr locker in die titelgebende Rahmenhandlung untergebracht sind, die im Lauf des Buches aber schnell in den Hintergrund tritt bzw. erst ganz am Ende wieder aufgenommen wird. Aber alleine wenn man die Idee, die hinter dem Titel steht, für sich nimmt, taucht die Frage auf, woher ein Mensch soviel Phantasie nehmen kann…

Die Erstveröffentlichung des Buches geschah 1951 und folgerichtig spiegelt sich in den Erzählungen der Geist der USA in dieser Zeit direkt nach dem Krieg: die Angst vor (bzw. die Lust auf) den Krieg, die Angst vor dem Atomkrieg und Atomwaffen, die Scheu und Abwehr vor allem Fremden und nicht zuletzt der Geist der McCarthy-Area [2]. So sind Bücherverbrennungen und -vernichtungen und die Tatsache, daß man mit Büchern immer viel mehr vernichtet als einfach nur bedrucktes Papier ein immer wiederkehrendes Motiv in den Erzählungen.

Natürlich spiegelt sich der technische Entwicklungsstand der Fünfziger Jahre in den Geschichten wieder, Roboter (ja, ganze Städte, die er als organisch unbelebt, aber als Roboter beschreibt) funktionieren noch mit Hebeln und Federn, Computer, Elektronik kommen bei ihm noch nicht vor, bzw. haben damals noch nicht existiert.

So sind seine Geschichten keine Fortschreibung der damaligen Welt in eine immer weiter technisierte Zukunft. Bei ihm ist die Technik nur ein Vehikel, seine (Kultur)kritik zu formulieren und darzustellen: seine Warnung, sich der Technik blind auszuliefern (gleich der Auftrag der Erzählungen mit der herrlichen Geschichte vom Kinderzimmer), die Entartungen des Alltagslebens in den Vereinigten Staaten, die Warnung vor Intoleranz und der Verteufelung allen Fremden sowie seine Mahnung vor der blinden Fortschrittsgläubigkeit:

„Narr!“, rief Bramante erregt, „… Diese Welt ist nur für die Reichen geschaffen.“ … „Als ich jung war schrieben sie mit feurigen Lettern: `Die Welt von morgen! Wissen, Wohlstand und Luxus für alle!´ .. Achtzig Jahre sind seitdem vergangen…. wir wohnen weiter in elenden Hütten wie unsere Väter und Großväter“… „..nur ihre [i.e. die Reichen] Träume werden wahr!“ [S. 318]

Bradbury nimmt in den Erzählungen auch oft Motive seiner ein Jahr früher erschienen Marschroniken [4] auf. Immer wieder spielen Geschichten auf dem Mars (den er als eine Art anderer Erde beschreibt, meist als Fluchtziel von Menschen, die der richtigen Erde entkommen wollen). Überhaupt ist die Raumfahrt ein durchgängiges Motive, auch wenn die Raumschiffe noch wie Raketen aussehen und das Starten und Landen einfacher scheint als heute das Einparken in einem Parkhaus. Technische Details interessieren Bradbury nicht, er erzählt seine Geschichten, um seine Botschaft zu verdeutlichen.

Facit: Kurze Erzählungen, die eine deutliche Kritik an den Verhältnissen und Einstellungen der USA kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges üben. Lesenswert und in vielerlei Hinsicht immer noch aktuell.

Links:

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Ray_Bradbury
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/McCarthy-Ära
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Der_illustrierte_Mann
[4] https://radiergummi.wordpress.com/2009/04/13/ray-bradbury-die-mars-chroniken/

Ray Bradbury
Der illustrierte Mann
Diogenes Tb, 13. Auflage 2008
ISBN-10: 3257203659
ISBN-13: 978-3257203653

4 Kommentare zu „Ray Bradbury: Der illustrierte Mann

  1. Es schien mir seinerzeit, als habe B. noch einige Geschichten von seinen Mars-Chroniken übrig gehbt und sie in den Topf geworfen. Die Idee von der Klammerung eines Bandes mit Erzählungen durch das Bild vom illustrierten Mann, dessen Tätowierungen eben diese Geschichten erzählen, finde ich genial. Und die Erzählung vom Kinderzimmer, das letztlich die Eltern veschlingt, ist im wahrsten Sinne des Wortes großes Kino. Sie ist für mich eine der stärksten und anschaulichsten Texte zum Thema, wie virtuelle Realität ich »reale Realität« umschlagen kann.

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    1. ja, ich denke auch, daß er hier viel mit dem in den chroniken nicht verwendete material arbeitet. Interessant finde ich, daß er sich den mars als symbol und ort aussucht, auf dem sich seine visionen zeigen. und die konsequenz, mit der er den mars als eine art „erde“ beschreibt, denn natürlich wusste man 1950 schon, daß dieser planet ziemlich unwirtlich ist. aber so verhindert er natürlich, daß man allzu konkret den planeten mars vor augen hat, wenn man seine geschichten liest, und vermittelt uns, daß wir – stimmt schon das äussere nicht – wohl irgendwo nach einer inneren botschaft suchen müssen…

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    1. Begeistert.. es kann sein, daß ich ihn einfach zu schnell nach den Mars-Chroniken gelesen habe, manche der Erzählungen knüpfen ja Gedanken, die er dort ausgesponnen hatte, weiter oder anders fort. Dadurch wirkte der illustrierte Mann nicht so originell, sondern schon irgendwie bekannt. Insofern tatsächlich nicht „begeistert“. Der Qualität des Buches tut dies aber keinen Abbruch, Geschichten wie die von dem Kinderzimmer, der Irrwanderung auf der Venus, den im All treibenden Astronauten oder den im letzten Exil noch lebenden verfemten sind und bleiben einfach Extra-Klasse…

      viele grüße
      fs

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