Jessica Durlacher: Emoticon

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Das Buch beschreibt die Geschichte einiger Menschen, die durch ein Schicksal verwoben sind und die in einer Tragödie mündet. Schauplätze sind die Niederlande und Israel bzw. Palästina, dieser ewige Streitherd im Nahen Osten. Aufgebaut ist das Buch ähnlich einem Tagebuch mit Rückblenden in die Geschichte der Personen.

Es wird die Geschichte erzählt von Aischa, der jungen, intelligenten, wütenden Palästinenserin, die an den Verhältnissen in ihrer Heimat verzweifelt, von ihrem Bruder unterdrückt wird, die sehnsüchtig im wöchentlichen Chat und email-Verkehr Nachrichten aus der Welt da draußen sucht und die Israel, die Juden, mit aller Kraft hasst. Auf der anderen Seite schildert Durlacher mit Ester und Lola zwei sehr unterschiedliche Frauen (Ester ist eher introvertiert, zurückhaltend bis schüchtern, Lola dagegen selbstbewusst und dominierend), die durch eine komplizierte Freundschaft schon seit vielen Jahren verbunden sind. Daniel ist Lolas halbwüchsiger Sohn, beide Frauen haben jüdische Wurzeln.

Ester, die sich gerade von ihrem langjährigen Freund getrennt hat, fährt auf einen Kongress nach Jerusalem und entgeht dort nur durch Zufall einem Selbstmordattentat. Um die gleiche Zeit vertieft sich Daniel nach seiner ersten enttäuschten Liebe völlig frustriert in zionistische Ideen und bereitet einen Israelaufenthalt als ziviler Helfer in der Armee vor. Parallel dazu wächst in Aischa, die mittlerweile für ein palästinensisches Blatt schreibt, die Wut immer weiter, sie ist entschlossen, eine spektakuläre Aktion durchzuführen, um die Welt aufzurütteln.

In vielen Rückblenden schildert Durlacher [1] das miteinander verwobene Schicksal von Ester und Lola, deren Freundschaft oft ambivalent war, von Konkurrenz geprägt, von Eifersucht und gegenseitigem Misstrauen, das seinen Ursprung im gemeinsamen Kibbuz-Aufenthalt viele Jahre zuvor hat. Durlacher nimmt sich Zeit, diese Spannung zu beschreiben, die Folgen, die sich daraus ergeben. So wie die Personen in dem Roman erfährt man auch erst beim Lesen Hintergründe und bisher unbekanntes. Sie schafft es, die Entwicklung, die sie schildert, als fast zwangsläufig darzustellen, als hätten die Agierenden keine anderen Möglichkeiten gehabt (aufgrund der Umstände und ihrer Charaktere) und würden damit über Jahre hinweg langsam aber sicher auf die sich anbahnende Tragödie zusteuern.

Eindringlich stellt Durlacher auch das Leben der Palästinenser und den täglichen Konflikt mit den Israelis dar, ohne jedoch Partei zu ergreifen. Natürlich kann man die Wut und die Frustration, die in den besetzten Gebieten herrschen, begreifen, doch auch die blindwütigen Aktionen der Intifada von Seiten der Palästinenser erkennt man als de facto selbstzerstörerisch, rufen sie doch immer die Gegenreaktionen hervor, bewusst, denn – so schreibt sie an einer Stelle – ein Auge schaut immer, wo die Kamera ist….

Durlacher gelingt meiner Meinung nach ein Kunststück: sie hat eine Geschichte zu erzählen, die sie langsam, in aller Ruhe, unspektakulär entwickelt, der sie die Zeit gibt, die sie braucht, um die feinen Verästelungen, die sich im Verhältnis ihrer Personen herausgebildet haben, darzulegen und die gleichzeitig spannend ist, so spannend, daß ich das Buch in wenigen Stunden durchgelesen habe. Mein

Facit: Ich kann das Buch ohne Einschränkung empfehlen, ich werde sicher noch mehr von der Autorin lesen.

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[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Jessica_Durlacher

Jessica Durlacher
Emoticon
Diogenes, März 2008, 480 S.
ISBN-10: 3257236573
ISBN-13: 978-3257236576

2 Kommentare zu „Jessica Durlacher: Emoticon

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