Hannah Kent: Das Seelenhaus

Diese Buchbesprechung ist auch als Audio-File im literatur RADIO bayern erschienen.


Bei diesem Buch, das mir meine Buchhändlerin in die Hand drückte, kämpfte ich mit Vorurteilen, ich kann es nicht leugnen. Wie authentisch – so fragte ich mich – kann eine junge Australierin Island (Australien vs. Island: zwei Länder, die ich auf einer imaginären Mentalitätskala als brutalstmöglichstdiametralst – danke, Herr Koch! – entgegengesetzt einstufe) und seine besondere Atmosphäre einfangen? Andererseits jedoch schildert Kent ihre eigenen Eindrücke und Erfahrungen von der Insel sehr schön anschaulich, z.B. in diesem Beitrag [1], vllt ist das hier beschrieben Gefühl der Isolation, des Ausgegrenztseins gar nicht so verschieden von dem, das Agnes gespürt hatte (auch wenn natürlich der Grund und der Gesamtzusammenhang ein völlig anderer, nicht vergleichbarer ist)… also hieß es, sich überraschen lassen…

Das Seelenhaus ist die Geschichte der Agnes Magnúsdóttir, an der die letzte Hinrichtung auf Island vollstreckt worden ist. Ihr wurde vorgeworfen, zusammen mit zwei Komplizen, Fridrik Sigurdsson und Sigridur Gudmundsdottir in der Nacht vom 13. auf den 14. März 1828 einen Mann, Natan Ketilsson, in seinem Haus ermordet und seinen Hof zur Verdeckung der Taten angezündet zu haben. Das Gnadengesuch der Sigridur Gudmundsdottir, einem kaum erwachsenen Mädchen, hübsch und naiv, Magd auf dem Hof des Ermordeten, wurde vom dänischen König positiv beschieden, so daß sie nach Kopenhagen in Haft kam, in der sie dann nach einigen Jahren starb. Der ebenfalls noch junge Fridrik Sigurdsson, ein Sohn des Nachbarhofes, sowie die 32jährige Agnes Magnúsdóttir, ebenfalls Magd auf dem Hof, wurden am 12. Januar 1829 enthauptet. Ein Gnadengesuch für Agnes Magnúsdóttir war nicht gestellt worden.


„… Aber die Leute merken, daß ich denken kann, und sie finden, dass man einer denkenden Frau nicht trauen kann. Da ist für Unschuld kein Platz. So sieht´s aus, das ist die Wahrheit, Herr Pfarrer, ob´s Ihnen passt oder nicht. ….“

„… Männer dürften tun und lassen, was sie wollten, und jeder von ihnen wäre ein Adam, der alle Dinge unter der Sonne ganz nach Belieben benennen könne. ….“

In Island gefällte Todesurteile waren in Dänemark – damals gehörte Island zu diesem Königreich – zu bestätigen. Aufgrund der Entfernung und auch der Wetterbedingungen konnte es lange dauern, bis diese Bestätigung wieder in Island bei den Behörden angekommen war. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Verurteilten auf solchen Bauernhöfen, deren Besitzer für die Obrigkeit arbeiteten, untergebracht. So auch  Agnes Magnúsdóttir. Jedoch gab es auf dem ersten Hof Probleme, aufgrund derer die Delinquentin in ein anderes Quartier zu verbringen war. In diesem Moment, in dem nämlich der Landrat den Besitzern des Kornsáhofs die Nachricht, daß  Agnes Magnúsdóttir gegen eine Entschädigung bei ihnen, bis die Hinrichtung stattfinden kann, einquartiert werden wird , überbringt, setzt die Geschichte, die Kent erzählt, ein.

Eine Mörderin, eine Frau, die einen Mann erstochen hat, die den Herrn erstochen hat, bei dem sie Magd war, bei sich auf dem Hof zu haben und mit ihr leben zu müssen [2], ist ein Gedanke, der spontane Abscheu und Widerstand hervorruft, jedoch können sich die Bauersleute nicht dagegen wehren, zumal man ihnen auch verspricht, einen Büttel dazu lassen, der sie beschützen wird. Die finanzielle Entschädigung für die Einquartierung ist den armen Leuten ebenfalls hochwillkommen….

Agnes Magnúsdóttir wird zu Pferd auf den Hof gebracht. Sie ist ein einem Zustand, der Margrét, die Bäuerin, trotz allen Widerwillens, dauert: Dreck, Schmutz und Unrat sind ihr in die bleiche Haut gewachsen, die Kleider sind Fetzen, die nur noch verbrannt werden können, die fast schwarzen Haare fettig und verfilzt, sie stinkt zum Himmel, blutig und schrundig, mit blauen Flecken und blutenden Gelenken, an denen die Fesseln scheuern, so steht sie vor dem Haus. Ihr wird ein Bottich mit Waschwasser gedeutet, vor den sie sich erst einmal hinkniet und säuft: wie lange hat man ihr nichts mehr zu essen hingeworfen, fauligen Fisch, strunkiges Grünzeug, zu trinken gegeben… sie muss überleben bis zur Hinrichtung. Mehr nicht, das Wie war egal.

Zu den wenigen Rechten, die ein/e Verurteilte/r seinerzeit hatte, gehörte das Recht, sich den geistlichen Beistand, der ihn/sie auf den Tod vorbereiten sollte, ihn/sie auf den rechten, gottesfürchtigen Weg zurück geleiten könnte, aussuchen zu dürfen. Von diesem Recht macht Agnes Gebrauch: sie wählt den jungen Pfarrvikar Thorvardur Jónson, genannt Tóti, den sie vor Jahren einmal auf einer Reise getroffen hatte. Tóti fühlt sich der Aufgabe zwar nicht gewachsen, zu jung, zu unerfahren, aber letztlich akzeptiert er die Wahl von Agnes.

Sein erster Besuch bei Agnes ist nicht von Erfolg gekrönt. Schnell merkt Tóti, daß die Frau seine frommen Sprüche nicht braucht. Sie kennt sie selber, ihr wurde seinerzeit zur Konfirmation große Belesenheit und Festigkeit im Glauben bescheinigt. Schnell merkt Tóti, daß sein Schützling nicht ist, wie andere Frauen: sie denkt eigenständig, sie hat eine eigene Meinung, war früh gezwungen, das Überleben zu lernen, da sie von der Mutter ausgesetzt der Barmherzigkeit von Menschen anvertraut wurde, die Barmherzigkeit nicht kannten…. auch Agnes ist schwankend geworden, ob dieser junge Mensch ihr helfen kann.

Der Pfarrer wählt beim nächsten Besuch einen anderen Weg: er versucht, Agnes zum Reden zu bringen, ihre Geschichte zu hören, einfach nur da zu sein…. und schnell wird ihm klar, daß hier ein besonderes Schicksal vor ihm sitzt, daß auch die offizielle Version, nach der die mit 32 Jahren deutlich ältere Frau die beiden Halbwüchsigen angestiftet haben soll, so nicht die ganze Wahrheit widergeben kann….

Die Familie (Margrét, die Mutter, Jon, der Vater und die Töchter Steina und Lauga) wird durch die Person Agnes in einen Konflikt gebracht: sie ist eine Mörderin und immer ist im Hinterkopf das Misstrauen gegen sie. Andererseits fügt sie sich gut in die Arbeit der Familie ein: sie ist schnell, kann alles und  macht alles, was man ihr sagt: sie wird wertvoll für die Familie. Man gibt ihr sogar eine Sichel zum Heuschneiden in die Hand und daß sie offensichtlich „gut“ behandelt wird, kann so mancher der neugierigen Nachbarn nicht nachvollziehen… Es ist eng in den Häusern und wenn der Pfarrer mit Agnes redet, sitzt die Familie mit am Tisch und horcht, vor allem, wenn im Winter das Wetter alle Menschen ins Haus treibt und dort fesselt… So breitet Agnes Magnúsdóttir im Laufe der langen Nächte langsam ihr trauriges Leben, das von einer Niederlage in die nächste wechselte und das nur einen einzigen Höhepunkt kannte, der im Lichte dessen, was geschah, auch nur der Auftakt war für das größte Unglück, welches das Leben für sie bereit hielt, aus. Sie wollte nichts besonderes, wertgeschätzt werden wollte sie, arbeiten zusammen mit einem Mann, der sie liebte, den sie lieben konnte, eine Schar Kinder um sich herum, und im Kreis dieser, ihrer Familie irgendwann sterben…. nichts von diesen einfachen Wünsche erfüllte sich im Leben für sie, erst jetzt, an der Schwelle zum Tod wurden über die vielen Wochen und Monate ihre „Bewacher“ und der Vikar zu einer Art Familie für sie: selten vorher, wenn überhaupt, war sie so anerkannt, so wertgeschätzt und zum Schluss – ja, sogar so etwas wie geliebt….

Damit ist in groben Zügen der Rahmen der Handlung abgesteckt…


Kent hat sich mit dem Schicksal der Agnes Magnúsdóttir nicht nur dem Leben einer bedauernswerten Frau gewidmet. An ihrem Schicksal und dem der Menschen, denen sie begegnet, zeichnet sie ein eindrucksvolles Bild einer unsäglich armen und entbehrungsreichen Lebens, in dem der Tod täglich reiche Ernte hält… Die Torfhäuser, wie das, in dem Magrét und Jon mir ihren beiden Töchtern leben, sind stickig und feucht, der Schimmel wächst an den Wänden und an der Decke, von der hin und wieder Torfplacken hinunterfallen. Der Atem gefriert auf der Bettdecke, alle Menschen schlafen in einem Raum, geheizt wird mit Torf oder Dung, der Qualm nimmt Sicht und Atem gleichzeitig. Von der Speisekarte der Armen wird einem schon beim Lesen übel….

Die harte Arbeit ausserhalb des Hauses… das Vieh, das so wertvoll ist, die Kuh, die ein wenig Milch gibt, die Schafe mit ihrer Wolle, aber nicht nur, alles wird verwertet, was irgendwie verwertet werden kann….  Das Heu muss geerntet werden, aber das Wetter schlägt um und verdirbt die Ernte. Menschen, die im Winter sterben, werden im Stall, im Lager verwahrt, liegen auf dem gefrorenen Fisch, bis im Frühjahr der Boden wieder aufgetaut ist für eine Beerdigung…

Es werden viele Kinder in die Welt gesetzt, und viele sterben bei der Geburt, so wie viele Mütter sterben… sie verbluten, sie bekommen eine Infektion… bei Geburten im Winter kann oft keine Hilfe von aussen geholt werden, wenn die Schneestürme wie gefräßige Wölfe um die Hütten fegen… so gibt es auch viele Waisenkinder, die, wenn der Vater sie dann der Armut wegen nicht aufziehen kann, weil er den Hof ohne die Frau verlassen muss, besagter Barmherzigkeit anvertraut werden. Meist heißt dies, für einen Schlafplatz und etwas Brühe arbeiten, die niederen, dreckigen Dinge sind es, für die sie zuständig sind wie für das Leeren der Nachttöpfe… oft müssen die Mädchen, wenn sie alt genug sind, den Herrn auch auf andere Weise zur Verfügung stehen und sie halten so gezwungendermassen den Kreislauf der unehelichen Kinder in Schwung…

Einmal im Jahr können die Mägde und Knechte den Hof wechseln, sich auf einem anderen Hof Arbeit und Anstellung suchen. Dies hat auch Agnes oft getan, sie war nirgends wohl gelitten, hatte kaum Freunde, weil sie anders war wie die anderen, weil sie auffiel, weil sie reden konnte, sich auch nicht alles gefallen ließ. War es das, was Natan an ihr auffiel? Auch er ein Nonkonformist, für die einen ein Hexerich, für die anderen ein Heiler. Zu ihm jedenfalls zog es Agnes, bei ihm fühlte sich sich zum ersten Mal wertgeschätzt, als Mensch akzeptiert von einem Menschen, den sie akzeptieren und lieben konnte….


Kent erzählt ihre Geschichte aus zwei Perspektiven: zum einen gibt es einen Erzähler, zum anderen läßt sie Agnes selbst immer wieder zu Wort kommen, um die Innenperspektive der Frau darzustellen. Situativ zu unterscheiden sind ferner die Unterhaltungen von Agnes und Tóti, die eigentlich mehr Monologe der Frau sind, die nur durch Zwischenfragen in Gang gehalten werden. Aus all diesem webt sich im Lauf der Handlung eine von der offiziellen Version der Geschehnisse, die vor Gericht Bestand hatte (und die Kent durch diverse Originaldokumente belegt), verschiedene Sichtweise, die zu stetig wachsender Sympathie mit Agnes führen (was andererseits von der Anlage des Romans her nicht wirklich überrascht)… Kent hat, wie sie erläutert [1, vgl auch das Nachwort zum Roman], an Ort und Stelle viele Dokumente und Unterlagen eingesehen, mit Menschen gesprochen, versucht, möglichst viel Material über diesen Fall zu sichten: was daraus entstanden ist, nennt sie eine „fiktionale Wahrscheinlichkeit“ der Abläufe und Geschehnisse. Vielleicht hat sie sich auch „nur“ die Version des Verbrechens (denn daß es ein Verbrechen gegeben hatte, ist unstrittig) erfunden, mit der sie am besten leben kann….

Herausgekommen ist mit Das Seelenhaus ein düsterer, schwermütiger Roman aus einer lang zurückliegenden Zeit in einem unsagbar armen Land. Kent schildert nicht die Insel voller mythischer Wesen, belebt von skurrilen Gestalten, ihr Island eine für die Menschen, unter denen der Roman spielt, eine lebensfeindliche Umwelt, der sie mit Gottvertrauen und einem gehörigen Schuss Aberglauben entgegentreten. Das Seelenhaus ist ebenfalls ein Roman, der aufzeigt, daß nicht jeder, der ein Verbrechen begangen hat, deswegen auch die volle Schuld daran trägt und implizit ist er dadurch auch ein Plädoyer für die Art von Rechtsprechung, wie sie bei uns in den entsprechenden Gesetzen verankert ist: die Tat so weit wie möglich aufklären, die Täter anhören, ihnen zuhören und das Maß ihrer Schuld ermitteln. All dies wurde bei Agnes damals unterlassen.

“.. eine Henne, die da krähet, und ein Weib, das gelehrt ist,
sind üble Vorboten: man schneide beiden den Hals ab!

An dieses Zitat von Herder (das nicht dem Buch entnommen ist) musste ich unwillkürlich denken: Agnes war belesen, lesen: eine seltsame, gefährliche Eigenschaft für Frauen zu der damaligen Zeit. Sie hatte eine eigenständige Persönlichkeit: sie war störend. Keineswegs jedoch war sie so süß, so naiv wie junge Sigridur, die begnadigt wurde. An Agnes wurde ein Exempel statuiert, in ihrem Fall wurde nur das vor Gericht bewiesen, was man bewiesen haben wollte: dass sie ein nämlich schlechter, heimtückischer Mensch war, der andere mit ins Unglück gerissen hat. Ihr Gerichtsverfahren: ein moderner Hexenprozess. Insofern ist Kents Roman auch eine Aussage über das Frauenbild der (isländischen) Gesellschaft zu dieser Zeit.

Last not least ist diese Geschichte auch die einer Liebe, einer unerwiderten Liebe, die sich nur auf die Hoffnung stützte, blind war gegen das Spiel, das mit ihr gespielt wurde und die zu jedem Opfer bereit war, letztlich zu dem des eigenen Lebens…..

agnes-cover

Bevor ich zum Abschluss kommen, möchte ich noch ein Wort zu dem Buchcover der deutschen Ausgabe verlieren: Da das Buch von einer Frau handelt, Agnes, muss man wohl davon ausgehen, daß die Frau auf dem Cover für Agnes stehen soll. Aber im Buch hat Agnes fast schwarze Haare, auf dem Cover sind sie eher brünett… und die Blendung der Frau durch den Balken finde ich gleichfalls eher unglücklich…. btw: die Autorin selbst sieht dies durchaus anders: „… exquisite cover ...“ [4]

Das mindert aber nicht den guten Gesamteindruck des Buches über dieses bedauernswerte, bemerkenswerte Frauenschicksal auf mich: es ist spannend, anschaulich, intensiv und – um auf meine anfängliche Skepsis einzugehen – ja, doch: Kent ist es gut gelungen, einen Eindruck von dieser Insel und dem harten Leben auf ihr zu vermitteln. Wer allerdings die Magie sucht, die diese Insel, vor allem die Landschaft, auch verströmen kann, der ist hier falsch: in Kents Geschichte der Agnes geht es nur um´s Überleben in einer feindlichen Umwelt und darum, wie man daran scheitern kann.

Links und Anmerkungen:

[1] Hannah Kent: Burial Rites and the loneliness of the long-distance writer; in: http://www.theguardian.com/books/australia…..
[2] Wahrscheinlich kann man sich die Behausung dieser bitterarmen Menschen so ähnlich wie auf diesem Bild vorstellen: Bild eines Torfhauses auf Island: http://www.abc.net.au/radionational/programs/booksandartsdaily/turf-house-iceland/4708120
[3] einige Seiten mit zusätzlicher Information zum Buch:
– May it do you good: Agnes Magnúsdóttir, the life and execution of an Icelandic peasant; http://herringandclassstruggle.blogspot.de/2013/12/may-it-do-you-good-agnes-magnusdottir.html
– Burial Rites: a photo essay from Iceland; http://www.picador.com/blog/august-2013/burial-rites-a-photo-essay-from-iceland
– Interview mit der Autorin: http://www.killyourdarlingsjournal.com/2014/04/burial-rites-and-the-stella-prize-an-interview-with-hannah-kent/
[4] Homepage der Autorin: http://hannahkentauthor.com bzw. Facebook-Account:  https://www.facebook.com/HannahKentAuthor?fref=ts

Diese Buchbesprechung ist auch als Audio-File im literatur RADIO bayern erschienen.


Hannah Kent
Seelenhaus
Übersetzt aus dem australischen Englisch von  Leonie Reppert-Bismarck und Thomas Rütten

Originalausgabe: Burial Rites, Sydney, 2013
Diese Ausgabe
: Droemer, HC, ca. 380 S., 2014

10 Kommentare zu „Hannah Kent: Das Seelenhaus

  1. Gestatten? Kat – das Konrad kam wohl daher, dass ich an „Konrad aus der Konservenbuechse“ dachte.

    Bzgl. des Coverdesigns: natuerlich kann ich mir bessere Coverdesigns vorstellen. Bin generell eher Fan von abstrakten Covern als Covern mit Personen. Deswegen finde ich zum Beispiel das englische Paperbackdesign super. Gerade das blau sieht unglaublich gut aus und sticht einfach aus dem Einheitsbrei der Cover raus. Aber ich finde schon, dass der Blendebalken bei der dt. Ausgabe ganz gut funktioniert. Spontan assoziiere ich, dass es hier um ein Tabu geht, warum sonst soll es zensiert werden? Dann kommt hinzu, dass Agnes selbst auch erstmal eine Nicht-Person und hat keinen gesellschaftlichen Status als Aussätzige. Zusaetzlich sieht man ja auch, dass die dargestellte Frau aus einer anderen Epoche kommt, das macht dann gleich noch mal neugieriger, warum ihr Gesicht zensiert werden muss. Ihr Kleid ist schwarz und im Zusammennhang mit dem Titel kann man zumindest Ahnen, dass dies nicht die sexuellen Beichten der Madame Bovary sind. Von daher faengt es schon ein paar Themen des Buches ein.

    Aber ja, schoenes Cover geht anders, da geb‘ ich Dir recht.

    Gruesse,

    K

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    1. herzlichen dank für deine ausführliche begründung. ich muss zugeben, ich hatte rein aus dem gefühl heraus auf das cover reagiert, der balken stößt mich auch jetzt ab… wenn ich die augen eines menschen nicht sehen kann, das ist einfach ein unangenehmes gefühl der unsicherheit…

      dir auch viele grüße
      fs

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      1. Vielen Dank für die ausführliche Rezension!
        Eine kurze Anmerkung zu meinem Verständnis des Covers: es handelt sich m.E. um eine bildhafte Darstellung des deutschen Titels. „Das Seelenhaus“, also der Ort wo die Seele wohnt. Die Augen als „Fenster zur Seele“ werden unkenntlich gemacht, weil es in der Handlung des Romans auch genau darum geht: niemand betrachtet (zu Beginn) die Geschichte, den Charakter und das Leben der verschlossenen Protagonistin. Stattdessen halten sie sich an der Fassade auf, dem Oberflächlichen und Offensichtlichen, während nur wenige Charaktere (und mit ihnen der Leser) das Vertrauen von Agnes und dadurch Einblick in ihr Seelenleben gewinnen. Insofern finde ich das Cover sehr passend. Mich hat es auch erst auf das Buch aufmerksam und neugierig gemacht.

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        1. liebe/r alex, herzlichen dank für deinen kommentar und die aufdröselung dessen, was dir das cover zeigt. es ist interessant, das zu lesen, weil es mir zeigt, wie unterschiedlich einzelne details, ja geradezu gegensätzlich, interpretiert werden… :-)

          herzliche grüße
          fs

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  2. Gute Rezension und sehr umfangreich.

    Habe das Buch auf Englisch gelesen und sehe jetzt zum ersten Mal das deutsche Cover. Finde, dass die englische Ausgabe sehr viel ansprechender aussieht, obwohl ich verstehen kann, warum man dieses Coverdesign gewaehlt hat.

    Das Buch war hier fuer den Bailey’s Women prize for fiction nominiert, fande aber, dass es da auch durchaus Schwaechen hatte. Waehrend ich die Landschaftsbeschreibungen und die Lebensweise unheimlich spannend fand, gab es einige Dinge, die mich nicht ueberzeugt haben. Sicherlich aber ein starker Debut-Roman.

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    1. hallo konrad (?), herzlichen dank für deinen besuch und deinen kommentar!

      tja, was die länge der buchvorstellungen angeht, liege ich sicher im oberen segment, zumindest was blogs angeht. wird halt immer so lang… ;-)
      was mich interessieren würde, wieso du das coverdesign der dt. ausgabe nachvollziehen kannst… weil mir das schwer fällt.

      grüße
      fs

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