Autoren.lesung: Martin Walser: Muttersohn

Gestern abend besuchte ich die Lesung von Martin Walser im Bad Emser Marmorsaal des Kurhauses. Natürlich, für ein kleineres Städtchen wie es dieses ehemalig so bekannte, jetzt etwas um Bedeutung bemühte Bad Ems ist der Besuch dieser literarischen Institution ein herausragendes Ereignis, dementsprechend gut war der Besuch der Veranstaltung.

Das Buch – ich wollte es natürlich vorher lesen. Aber man kennt das ja, und außerdem hat da rein privat der Blitz reingehauen, im wahrsten Sinn des Wortes, und mir viel Zeit geraubt, die ich ansonsten vllt tatsächlich investiert hätte in diesen Roman Walsers um Percy, den ohne die Mitwirkung eines Mannes gezeugten.

Vorgestellt wurde Walser und in sein Werk eingeführt von einer Frau Dr. Nordhofen, die leider rhetorisch nicht allzu überzeugend wirkte, viele „ähhs…“ störten und ich muss es bekennen, von ihrer Rede blieb mir nicht viel im Gedächtnis…

Ganz anders dagegen Martin Walser. Ein älterer Herr, natürlich. Imposant in der Erscheinung, eine Aura um sich herum getragen von der Freiheit und auch, ja, Weisheit des Alters, von der Gewissheit, die richtigen Fragen zu kennen, jetzt zu kennen, für die Antworten, die man schon seit langem spürt… auch ein ganz hervorragender Vorleser seines Werks ist Walser, beneidenswert, wie er, sein Buch in der Hand, den Text vorliest und sparsam mit seiner Sprache spielend das Gesagte lebendig werden läßt. Mit wenigen Gesten unterstützt er seinen Vortrag, seine Stimme schwillt an, zögert, wird langsam, leise, er überlegt mit seinen Figuren, fühlt sich in sie hinein, verleiht ihnen Wort und Stimme…

Es geht um Percy. Walser hat drei Textstellen ausgewählt, die erste stellt uns diesen Percy vor, der wie gesagt seiner Mutter Fini glaubt, daß er ohne die Mitwirkung eines Mannes gezeugt wurde. Die im Nachgang zur Lesung von Nordhofen gestellte Frage, ob er, Walser, damit eine Art Jesus-Figur geschaffen hätte (es gibt viele in diese Richtung deutbare Elemente im Roman), umschiffte Walser geschickt, indem er ausführte, dieses würde sich niemand wagen…. jedenfalls ist dieser Percy ein begnadetet Redner, der sich aber nie auf seine Reden oder Gespräche vorbereitet, weil er zu jedem Moment der sein will, der er in seiner ganzen Fülle in diesem Moment ist. Und diese würde eine Vorbereitung zerstören, er wäre dann reduziert auf jemanden, der vorher in eine bestimmte Kategorie gesteckt worden wäre und auch seine Zuhörer in eine gesteckt hätte.

Percy ist ein Mensch ohne äußere Probleme. Er hat keine richtige Wohnung, sein Besitz hat Platz in einem Rucksack, er ist gefestigt in seinem Glauben und er läßt allen anderen ihren. Percy hat es nicht nötig zu überzeugen, weil er weiß, daß jeder seinen eigenen Weg zur Überzeugung, zum Glauben gehen muss in seiner eigenen Art und Weise. Er ist zu keinem Widerspruch bereit, er ruht viel zu sehr in sich, um Widerspruch als Angriff auf sich oder seinen Glauben zu empfinden. Diese zweite Textstelle, in der Walser Percy in einer Talkshow auftreten läßt, ist vllt eine der zentralen Stellen des Buches, hier erklärt sich seine Figur seinen Interviewern gegenüber, hier wird auch das so Unverständliche als eigentlich etwas ganz Einfaches deutlich…

Einen dritten Part las Walser noch, aber ich muss bekennen, davon ist mir nicht mehr allzuviel im Gedächtnis, zu sehr habe ich über den oben beschriebenen noch nachdenken müssen….

Zum Nachgang gab es dann noch ein kurzes Frage/Antwort Spiel, in dem Frau Nordhofen den Fragepart übernahm und darin auch der Falle nicht immer widerstand, mit der Frage gleich die Antwort mitzuliefern, die Walser dann weiter ausführte… aber sei es drum, es hat sich gelohnt. Manche Gedanken Walsers müßte man nachdenken und ausgestalten, für sich allein. Zum Beispiel sein Bedauern darüber, daß sich Literatur und Religion auseinanderentwickelt haben, wo sie doch früher so eng zusammengehörten, ja fast identisch waren… die großen Texte der Mystiker, die Psalmen als Gedicht von einer Kraft, die nicht zu übertreffen ist… Beispiele die Walser nannte.

Natürlich, es ist ein umfangreiches Werk, dieser „Muttersohn“, aber die Lesung Walsers hat in der Tat eine große Neugier geweckt. Ein Roman um den und das Glauben, um das Spannungsfeld zwischen diesem und dem Wissen, um die Fähigkeit, Berge zu besteigen, die nicht da sind und das Lösen von Gleichungen, die eine Lösung haben….. Themen, die interessant sind und wichtig, schaumerhaltmal und sehendannweiter, die Neugier ist jedenfalls geweckt…

Ein schöner, bereichernder Abend.

11 Kommentare zu „Autoren.lesung: Martin Walser: Muttersohn

  1. Oh ja der liebe Herr Walser kann nicht nur schreiben sondern auch lesen. Mir ging es ähnlich wie Dir bei „Ein liebender Mann“ und „Angstblüte“. Eigentlich müsste man das Hörbuch mit seiner Stimme kaufen.
    Die Moderatoren verblassen meist neben ihm. Beim letzten Mal als ich ihn gesehen habe, hat er das Interview einfach abgebrochen, da ihm die Fragen einfach zu blöd waren (und er hatte Recht!). einfach köstlich. vielen Dank lieber flattersatz, dass ich ihn durch dich wieder einmal erleben durfte.

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    1. Wie… Walser liest auch selbst seine Hörbücher? Geschrieben mag ich ihn ja schon lange, und vor einiger Zeit hatte ich auch das Vergnügen, bei einer seiner Lesungen zu sein, aber ein Hörbuch mit seiner Stimme wäre mal sehr ausprobierenswert…

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  2. Herzlichen Glückwunsch dem Autor/Autorin(?)der MW´s „Muttersohn“Lesungswiedergabe. Wie heissen Sie? Nicht oft werden Autorenlesungen so sachlich und sensibel dargestellst,
    dass man sich darauf verlassen kann, vom Buch und der Veranstaltung selbst etwas zu erfahren, auch wenn man persönlich verhindert war dabi zu sein.Vielen Dank!
    Mit freundlichen Grüßen
    A.J.K.

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    1. liebe frau jarzombek-krücken, haben sie herzlichen dank für ihren kommentar. schade, daß sie diese hörens- und sehenswerte veranstaltung nicht persönlich besuchen konnten, martin walser strahlt in der tat das aus, was man gemeinhin (und nur positiv gemeint) als altersweisheit bezeichnet, er ruht in sich und scheint mit sich im reinen. beneidenswert.
      herzliche grüße zurück
      fs

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