Gernot Blum: Der Tod im Exlibris

Der Mensch stirbt, das Buch bleibt.

Thema des Buches sind Exlibris, diese kleinen, künstlerischen Darstellungen, mit denen sich ein stolzer Buchbesitzer eine kleine Ewigkeit erkauft, denn ein Buch überlebt mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit seinen Besitzer und kündet auch nach dem Tod von ihm, hilft also, ihn in der Erinnerung oder auch nur durch das Bewahren seines Namens, am Leben zu halten. Umgekehrt wertet ein Exlibri ein Buch auf, macht es zum individuellen Exemplar, das sich aus den Tausenden anderen seiner Auflage heraushebt. So sind bzw. werden Besitzer und Buch ein gewissermaßen zum Paar, das sich zum gegenseitigen Vorteil gereicht.

Und noch ein Dritter ist Profiteur: der Künstler, der das Exlibri nach seinen Vorstellungen oder den Vorgaben des Auftraggebers gestaltet als individuelles Kunstwerk, das durch seine kleines Format besondere Ansprüche stellt an die Gestaltung und an die Konzentration, mit der man es betrachtet. Mit ihm gewinnt der Künstler Reputation und Ansehen und  er verdient – ganz profan – natürlich auch sein Geld damit .

Nach den Vorgaben des Auftraggebers: Das Exlibri spiegelt in diesen Fällen naturgemäß nicht nur die Vorgabe, sondern auch die Vorliebe des Buchbesitzers wieder, seine Interessen, seine Träume vielleicht sogar? Sein Leben spiegelt sich unter Umständen wider in ihnen, gerade bei Ärzten und Apothekern finden sich berufsbedingte Motive.

Das Exlibri kann nach verschiedensten künstlerischen Verfahren hergestellt werden: als Stich, als Lithographie, als Holz- oder Linoleumschnitt, als Radierung oder auch als Heliogravure. Jedenfalls ist es neben seiner eigentlichen Funktion als personalisierendes Merkmal auch ein Objekt für Sammlungen geworden, ein Tauschobjekt, ein geschätztes persönliches Geschenk an Sammler… Manche dieser Sammlungen sind veröffentlicht, in toto oder in Auszügen, wie dies im vorliegenden Buch Gernot Blum mit einer Auswahl von Exponaten zum Thema „Tod“ gemacht hat.

Die Kunst – so ein Ausspruch – kennt nur zwei Motive: Liebe und Tod. Dem entspricht es, daß neben den erotischen Exlibris solche mit Motiven, die mit dem Sterben und dem Tod verbunden sind, ein großes Teilgebiet darstellen. Die Grenzen jedoch zwischen Liebe und Tod sind fließend, viele der Stücke mit Todesthematik sind gleichzeitig erfüllt von morbider oder auch ganz vitaler Erotik.

exlibris-tod-autor

Der Autor Gernot Blum, selbst Mediziner, ist Sammler seit 1978, seine Sammlung umfasst schwerpunktmäßig Stücke aus den Jahren 1890 – 1940 und zu den Themen: Erotik, Tod, Ärzte.

Nach einem kurzen Vorwort von Hans Schadewaldt und einer Einleitung folgt eine kurze Darstellung des Todes in der Kunst, die mit seiner Personifizierung und Darstellung als Leichnam oder Skelett im 13./14. Jahrhundert einhergeht. Die Pest, die ab 1348 Europa in größeren und auch kleineren Seuchenzügen [3] überrollte und entvölkerte, änderte die gesamte Sicht auf den Tod: mit der Pest kam er ohne erkennbaren Grund und Sinn, verschonte weder jung noch alt, weder arm noch reich, verunstaltete die Menschen und brachte unendliches Leid: die gewohnte Ordnung des Lebens und des Sterbens war aufgehoben, in der Kunst dadurch der Boden und das Bedürfnis geschaffen, das Sterben nicht nur als unabänderliche Tatsache, sondern den Tod selbst als Person darzustellen: er wird zum schrecklichen Gesellen, zum furchterregenden Reiter mit Schwert oder Sense oder auch zum schmeichelnden Verführer, der zum Tanz aufspielt…. der Totentanz dürfte ein allgemein bekannter Begriff sein [5]

Ex libri, Bildquelle unbekannt
Ex libri, Bildquelle unbekannt

…..es entwickelt sich eine Symbolik: der Tod als Knochenmann, zum Teil verhüllt, der Totenkopf.. als Symbole der Vergänglichkeit die Sanduhr, die abläuft, die Kerze, die abbrennt, Sichel oder Sense, die den Halm abtrennen, die Waage, die sich neigt…. in dem nebenstehenden beispielhaften Exlibri (das nicht dem Buch entnommen ist) finden sich viele dieser Symbole, es ist geradezu überfrachtet damit.

Erst in der Romantik ändert sich diese Bild vom Tod teilweise, man fasst ihn wieder als mythischen Bruder des Schlafes auf, Bezeichnungen wie „Gevatter Hein“ deuten auf ein zumindest nicht feindseliges Verhältnis zu ihm hin. Susan Sontag beispielsweise analysiert in ihrem großartigen Essay über Die Krankheit als Metapher [4] die gesellschaftliche Rezeption der Tuberkulose im 19. und 20. Jahrhundert: diese wurde, so führt sie aus, als Krankheit vieler Künstler in romantischer Art und Weise umgedeutet als Sehnsucht auch nach dem Tod, nach einem ätherischem Verglühen (die fiebergeröteten Wangen im bleichen Antlitz einer jungen Frau wurden als “Friedhofsröschen” bezeichnet), ja, fast als Aufwertung, als Auszeichnung wurde sie verstanden. Lord Byron, schreibt Sontag, hätte sich sein Sterben gewünscht, weil die Damen dann hätten sagen können, wie schön er doch im Tode sei….

Heutzutage, im Wahn von Gesundheit und Jugend (möglichst bis ins hohe Alter) wird der Tod oft negiert, verschwiegen, auch wenn hier gesesellschaftlich mittlerweile doch etwas in Bewegung gekommen ist. Daher wird auch die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Tod nur noch von wenigen Künstlern gesucht. Das Exlibri dagegen, so führt Blum aus, hat mit seinem intimen, persönlichen Charakter die Auseinandersetzung mit Sterben und Tod begünstigt, nach 1890 entwickelte sich dieses Thema zu einem wichtigen Teilgebiet.

Nach diesem kleinen Exkurs zurück zum Buch. In dessen Hauptteil werden in einem ersten Abschnitt „Sechs Künstler und ihre Exlibris vom Tod“ beschrieben. Es sind dies Erwin Theermann, Karl Ritter, Walter Helferbein, Josef Vachal, Vitezlav Fleissig und Jaroslov Vodrazka, von denen man Beispiele für ihre Arbeiten leicht per Bildersuche finden kann.

Anschließend widmet sich Blum Exlibris, die in exemplarischer Weise die schon genannte Todessymbolik zeigen: Totenkopf, Skelett, Sense, Stundenglaus und Kerze. Auch spielt der Tod zum Tanz auf mit Kindern, mit Paaren und mit Nackten – die mögliche Nähe von Todesexlibris zu denen mit erotischen Darstellungen wurde schon erwähnt. Sterbende und Tote finden ihren Platz auf Exlibris und damit zusammenhängend auch Motive von Ärzten und Apothekern. Der Tod und der Krieg sowie der Gekreuzigte sind weitere Themen, denen zum Abschluß der andere Tod folgt, der mit grinsenden Schädeln, zum zuzwinkernden Augen, der, dem die Krähe auf den Kopf schmelzt oder der, der nach getaner Arbeit (?) seine ausgewaschene Kutte zum Trocknen aufhängen muss….

Ergänzend gibt es noch eine Zusammenstellung der Beifügungen (Sprüche, Texte) auf den gezeigten Exlibri, natürlich auch ein Verzeichnis der Künstler sowie ein Literaturverzeichnis.

Wer ein wenig Spaß hat an diesen kleinen Kunstwerken und wen auch das Thema interessiert, dem kann ich dieses Buch mit Beispielen aus der Sammlung des Autoren nur empfehlen. Beispiele für Exlibri aus diesem Themengebiet (wenn auch nicht aus dem vorgestellten Buch) sind über eine Bildersuche leicht zu finden.

Links und Anmerkungen:

[1] zum Autor: http://www.exlibris-blum.de/about-me/index.html
[2] herausgenommen
[3] vgl. hierzu das Buch von  Anna Bergmann: Der entseelte Patient (https://radiergummi.wordpress.com….patient/)
[4] Susan Sontag: Krankheit als Metapher & Aids und seine Metaphern, Fischer TB, 2003
[5] Homepage der Europäischen Totentanz-Vereinigung: http://www.totentanz-online.de/totentanz.php

Beispiele für Ex Libris zum Thema Tod sind z.B. auf dieser Seite im Internet zu finden. Die Darstellungen sind nicht dem vorgestellten Buch entnommen: http://art-exlibris.net/search?query=kategori-17&pt=owner. Selbstverständlich liefert auch eine Bildersuche mittels Suchmaschine viele, sehr viele Ergebnisse…

Gernot Blum 
Der Tod im Exlibris
Verlag Claus Wittal, Wiesbaden, HC, ca 285 S., 1990

Ein Kommentar zu „Gernot Blum: Der Tod im Exlibris

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