Sebastian Schlösser: Briefe aus dem Wolkenkuckucksheim

Im heutigen ZEIT magazin ist ein kleiner, aber sehr anrührender Beitrag von Sebastian Schlösser. Dieser war erfolgreicher Theaterregisseur am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg mit Verpflichtungen an verschiedenen anderen Bühnen in Deutschland, als bei ihm die Diagnose manisch-depressiv (bipolar) gestellt [1], und er in die Psychatrie eingewiesen wurde. Zu dieser Zeit hatte er selbst einen anderthalbjährigen Sohn. Für Kinder ist die Erkrankung eines Elternteils und die damit ev. verbundene Abwesenheit immer eine traumatische Erfahrung, insbesondere, wenn noch Besuche nicht möglich sind und die Krankheit selbst nicht so einfach zu erklären ist wie z.b. ein Beinbruch….

So wurde Schlösser nach seiner Entlassung gefragt, ob er bei solchen Therapiesitzungen für Kinder mitarbeiten würde. Daraus sind diese Briefe [2] entstanden an einen kleinen Jungen, sie sind aber in erster Linie wohl zu verstehen als eigene Aufarbeitung des Erlebten [1].

Wie erklärt man in einfachen Worten, ohne fremd klingende, beängstigende Begriffe, was mit einem Menschen passiert ist, der in eine „Irrenanstalt“ eingewiesen wird? Denn mit solchen Begriffen könnte ein Junge ja konfrontiert werden, wenn er mit seinen Kumpels spielt und die davon erfahren haben. Und dieses Erklären ist Schlösser ganz wunderbar gelungen. Ohne etwas zu beschönigen, die Unruhe etwa, die innere Hektik oder die Langeweile, gelingt es ihm, altersgerecht verständlich zu machen (denke ich, aber ein Kind wäre hier der eigentliche Fachmann….), was mit ihm passiert ist, wie die „Meise“ in ihm arbeitet, ihn piesakt, ihn auch quält und wie er versucht, diese „Meise“, die er hat, in den Griff zu bekommen, wie ihm die Ärzte dabei helfen und wie er selbst lernen muss, daß dies lange Zeit dauert. Und wie er ihn, seinen lieben Matz, so sehr vermisst…..

Man tut sich oft schwer, Kindern in schwierigen Situationen mit Erklärungen gerecht zu werden. Dies hier ist ein – wie ich finde – gelungenes Beispiel dafür, wie man es machen kann. Und das man ja auch auf andere Situationen übertragbar ist….. denn Kinder stellen Fragen, sind sehr sensibel für das was geschieht und das Schlimmste, was man machen kann, ist es, ihnen nicht die Wahrheit zu sagen – in einer Form, die sie verstehen können.

[1] Interview mit Schlösser im ZEIT magazin 09.09.2010
[2] online-Ausgabe der Briefe

Literaturliste des „Arbeitskreises Kinder psychisch kranker Eltern“ zum Thema: http://www.kipse.de/medien.htm

Nachtrag vom 18. Jan. 2014: Soeben finde ich auf dem Blog „Meinfaktotum“ die Vorstellung dieses Hörbuchs: “Lieber Matz, Dein Papa hat ‘ne Meise” von Sebastian Schlösser: http://meinfaktotum.wordpress.com/2014/01/12/horbuch-lieber-matz-dein-papa-hat-ne-meise-von-sebastian-schlosser/

Sebastian Schlösser
Briefe aus dem Wolkenkuckucksheim
Illustrationen: Andrea Ventura
ZEITmagazin, 09.09.2010 Nr. 37

4 Kommentare zu „Sebastian Schlösser: Briefe aus dem Wolkenkuckucksheim

  1. Auf „Briefe aus dem Wolkenkuckucksheim“ sind wir schon früher aufmerksam gemacht worden.
    Nun hat ein Mitglied angeregt, diese Briefe mit unserer Homepage zu verküpfen. Auch wäre es als Lektüre für Schüler geeignet. Wir könnten diese z.B. unserem Schulpaket als Anregung für Lehrer beilegen.
    Herzliche Grüße
    Elfriede Scheuring

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    1. liebe frau scheuring, herzlichen dank für ihren kommentar! ich habe mich ein wenig auf der kipse-seite umgesehen und dort die literaturliste gesehen, bei der mich besonders die jugendbücher interessieren. ich hoffe sie haben nichts dagegen, daß ich diese als weiterführenden link in den beitrag von mir eingefügt habe. man muss sich als erwachsener immer wieder vor augen halten, daß kinder die welt (und auch natürlich dort, wo sie nicht in ordnung ist) mit ihren eigenen augen sehen und interpretieren. das fällt manchmal schwer und solche bücher können da eine große hilfe sein!
      mit freundlichen grüßen
      fs

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  2. Für die Kinder ist es immer erschreckend, einen Elternteil in einem desolaten Zustand zu sehen, auch wenn sie nicht mehr so klein sind. Kleine Kinder haben dann noch die Freiheit Fragen zu stellen, das fällt ab einem bestimmten Alter dann schwer. Aber zu sehen, dass der Mensch, dem man sein Leben anvertraut, sein eigenes Leben nicht unter Kontrolle hat, ist tatsächlich Welt erschütternd.

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    1. Vor allem, da Kinder ja keine Erklärung dafür haben und sich das auf ihre eigene Art und Weise rationalisieren müssen. Und das führt dann wiederum zu vermehrten Ängsten, Unsicherheiten und Problemen.

      Ich glaube auch, man unterschätzt Kinder leicht in ihren Fähigkeiten, mit Problemen umzugehen. Natürlich muss man mit ihnen in anderer Art reden (siehe oben) als mit Erwachsenen, aber wenn man das macht, können „normale“ so etwas aushalten. Problematisch ist natürlich, daß die Personen, die in solchen Fällen mit den Kindern reden müssen, sich um sie kümmern müssen, oft ihre eigenen Probleme haben und es für sie einfach zu viel ist, sich auch noch quasi-„therapeutisch“ mit ihrem Kind auseinanderzusetzen.

      Danke für deinen Kommentar, liebe wortsplitter!

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