Benedict Wells ist ein wunderbarer Romanautor, den ich in meinem Blog schon mit einigen seiner Werke vorgestellt habe (Becks letzter Sommer, fast genial, Vom Ende der Einsamkeit und Spinner (New Edition)), hier aber… Vielleicht bin ich einfach nur unfair, ungerecht, dem Autoren gegenüber und dem Verlag, möglicherweise bin ich einfach kein Leser ‚kurzer Geschichten‘, die offensichtlich noch nicht einmal Erzählungen sein sollen, diese Kategorisierung jedenfalls wird vermieden, also einfach nur Geschichten. So frag ich mich beispielsweise bei diesen ‚zehn Geschichten‘ nach der Motivation, die hinter der Veröffentlichung steht. Wo ist der rote Faden, was verbindet diese Geschichten, außer der Tatsache, daß sie von Menschen handeln? Outtakes eines Romans stehen neben romantischer Fantasy, SF neben Vater/Sohnkonflikten, die einsame, alte Trauernde neben dem erfolgsverwöhnten Manager, der ungewollt auf einen Selberkundungstrip gerät. Was verbindet sie im Buch, welche Wahrheiten, welche Lügen?
Wer hätte nicht schon eine Geschichte erzählt bekommen von einem Mann, der am Abend einen Termin hat und trotzdem noch mal so eben diesen einen Gipfel, den er am Horizont sieht, gegen Vernunft und Rat besteigen will. Surprise, surprise: er hat sich verkalkuliert und verirrt sich, die äußere Wanderung wird auch zur inneren…. Oder die alte Frau, die im Park sitzt, trauert und vor Not kichernde Teenagern anspricht und von Ferdinand erzählt, der – surprise, surprise – jedoch… na, ich will jetzt nicht zuviel verraten…
Die klassische Geschichte vom Vater-/Sohnkonflikt, der sich an der früh verstorbenen Mutter gründet, über deren Tod die beiden nie ins Gespräch finden, so daß sich am Ende alles als ein riesiges Missverständnis und ein Aneinandervorbeileben erweisen wird.
Es sind, ich bin froh darüber, allerdings auch witzige, originellere Geschichten dabei. Die vom erfolglosen Drehbuchschreiber und Filmkritiker beispielsweise, der in eine Zeitmaschine gerät und vier Jahre vor dem ersten ‚Star Wars‘ Film landet. Im Gegensatz zu Lucas, der noch in der frühen Konzeption des Filmes ist und dessen Vorstellungen noch völlig konfus und ziemlich verworren sind, kennt unser Held den fertigen Film, das Highlight seiner Jugend, in und auswendig. Was liegt näher, als ihn selber zu drehen und den Erfolg einzuheimsen, noch vor Lucas?
Interessant ist das Kammerspiel zwischen den beiden Männern, die entführt und zusammen eingesperrt eine Tischtennisplatte in ihrem Kerker vorfinden. Sie fangen an, zu spielen und es setzt sich bald die Überzeugung in ihnen fest, daß ihre Entführer irgendwann einmal den Sieger eines Entscheidungsspiels freilassen werden. Zwei Männer also, die in dieser Situation, in der sie zusammen stehen sollten, in einen Wettkampf gegeneinander verstrickt sind, aus schicksalhafter Verbundenheit wird Konkurrenz, Abneigung und sogar Hass.
In einer weiteren Geschicht geht Wells der Frage nach, ob man sich als Künstler, als Schriftsteller, zwischen Kunst, beziehungsweise dem künstlerischen Erfolg und der Liebe entscheiden muss: eine bis dato recht erfolglose Autorin wird nämlich von der männlichen Muse (einem ‚Muserich‘ ?) geküsst und verliebt sich in ihn, den (nur) sie kann ihn auch sehen…
Insgesamt ist Die Wahrheit über das Lügen jedoch eher ein Potpourri von Geschichten, das ich schnell gelesen und abgehakt habe. Natürlich merkt man auch dieser Sammlung an, daß Wells schreiben kann, erzählen kann, zu formulieren weiß, bis auf wenige Ausnahmen jedoch ist leider nie ein Funke auf mich übergesprungen – was mir durchaus leid tut. Und eine Antwort auf meine Eingangsfrage, was Autoren und Verlag zur Veröffentlichung dieser auf mich etwas erratisch wirkenden Sammlung von Geschichtchen veranlasst hat, habe ich auch nicht gefunden….
Bendict Wells
Die Wahrheit über das Lügen
diese Ausgabe: Diogenes, HC, ca. 240 S., 2018
Ich danke dem Verlag für die Überlassung eines Leseexemplars.
Okay, ich bin mal gespannt… Ich fand seine Romane bisher verdammt gut, aber mit Kurzgeschichten tu ich mir allgemein ein bißchen schwer.
Mal sehen, ob es mir da ähnlich geht wie dir.
Bei mir steht es diesen Monat auf der Leseliste. 😉
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ah… dann bin mal gespannt! :-)
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