Paula Quast, Henry Altmann: „…. und sie sprechen von mir nur leise.“ (Mascha Kaléko)

Manchmal findet man solche Perlen eher zufällig… nein, so ganz richtig ist dieser Satz nicht, natürlich kennt „man“ Mascha Kaléko, zumindest ihr „Memento“ hat man im Gedächtnis, vllt sogar ist ihr Schicksal als Jüdin im 3. Reich bekannt, aber im wesentlichen teilt sie jedoch das Schicksal der allermeisten Emigranten [3], nämlich das Gefühl des Entwurzeltseins, die relative Erfolglosigkeit, den Verlust des Publikums, wenn man nicht mehr in seiner Muttersprache schreibt (obwohl Kaléka auch auf Englisch veröffentlichte) – und das Absinken in die Vergessenheit….

1907 wurde sie in Galizien geboren, die Mutter war Österreicherin, der Vater Russe. Um den Progromen zu entgehen, übersiedelte man nach Deutschland, auch hier gab es mehrere Stationen, bis die Familie in Berlin, im Scheunenviertel [4], ihre Bleibe fand. In Berlin beendete Mascha ihre Schule und Ausbildung und fing an, in einem Büro zu arbeiten. Es war auch diese Lebenswelt, die sich in ihren Gedichten niederschlagen sollte. Mascha heiratete 1928 den deutlich älteren Hebräischlehrer Saul Aaron Kaléko, unter dessen Namen sie bekannt werden sollte. In dieser Zeit veröffentlichte sie auch ihre ersten Gedichte. Es blieb nicht bei dieser einen Ehe, nach der Scheidung von Kaléko 1938 heiratete sie nur wenige Tage später den Musikwissenschaftler Chemjo Vinaver, mit dem zusammen sie (und ihre Kinder) emigrieren mussten. Über ihre Herzens-„Ent-scheidung“ für den anderen schrieb sie ein wunderbar einfühlsames, auch etwas lakonisches Gedicht [5]…

Mascha Kaléko sollte bis kurz vor ihrem Tod, der sie 1975 auf der Rückreise von Berlin nach Jerusalem in Zürich ereilte, nie mehr ihre alte Stadt Berlin kommen, ihre Lebenstationen waren die USA und Jerusalem. Vergessen hat sie, die einst heimatlos Gemachte, ihre Jugend in Berlin aber nie…

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Hier war mein Glück zu Hause. Und meine Not.
Hier kam mein Kind zur Welt. Und musste fort.
Hier besuchten mich meine Freunde
Und die Gestapo. [2]

kaleko-1

Vorne, vor den Zuschauerreihen steht ein kleines, rundes Tischchen, daneben ein Stuhl, eher unbequem, mit harter Sitzfläche und hoher, schmaler Lehne, zum Meditieren gut geeignet. Auf dem Tisch eine Kerze, Streichhölzer, ein Glas mit Wasser, eine Mappe mit Blättern. Neben dem Stuhl eine Karaffe mit Wasser. Etwas im Hintergrund steht ein großer Bass. Das ist das Bühnenbild, mit dem Paula Quast und Henry Altmann ihren Kaléko-Abend „… und sie sprechen von mir nur leise.“ bestreiten.

Paula Quast sitzt aufgerichtet auf diesem Stuhl, sie rezitiert die Werke der Dichterin mit sparsamen Mitteln, Gestik und Mimik setzt sie nur akzentuiert ein, dann aber mit um so größerer Wirkung. Quast hat Mut zur Stille, sie macht Pausen, läßt das Gesagte wirken, baut Spannung auf beim Hörer, die sie dann mit weiteren Vortrag wieder löst… dies alles wird untermalt von dem Musiker Altmann am Bass, der sein Instrument in vielfältiger Weise nutzt: als Streichinstrument sowieso, aber auch als Zupfinstrument oder als Perkussion. Er untermalt die Gedichte, begleitet sie, schafft auch mit Soli eine Brücke zwischen den Werken und er tritt in den Dialog ein mit den Gedichten, er setzt das Wort, die Stimmung, das hinter dem Geschriebenen stehende um in Musik, in Töne…

Der emotionale Höhepunkt des Abends war für mich der Vortrag des Gedichts „Bleibtreu heißt die Straße“, aus der ich die dem Abschnitt vorangestellten Zeilen entnommen habe. Das Gedicht entstand wenige Tage vor dem Tod Kalékos. Sie war noch einmal nach Berlin gekommen, die Stadt ihrer Kindheit und Jugend, die Stadt, in der sie als Künstlerin wuchs, in der sie ihre Kinder gebar – und aus der sie verjagt wurde, was sie im Herzen nie verwand. Vielleicht hat das Wiedersehen mit dieser Stätte ihrer Vergangenheit ihrer Seele etwas Frieden geschenkt, sie spielte wohl mit dem Gedanken, sich eine kleine Wohnung in Berlin zu suchen. Der Tod, dessen Gewissheit sie klaglos und erleichtert annahm, vereitelte dies [2].

Im Lauf des Vortrags, in den Quast immer wieder Anmerkungen zur Biographie der Dichterin einstreut, wird die Künstlerin immer mehr zu einem Gesicht Kalékos, sie verleiht ihr durch ihre sehr ein- aber zu keiner Sekunde aufdringliche Präsenz Stimme und Gestalt. Das Zusammenwirken von Rezitation, musikalischer Begleitung und der Darstellung wichtiger Lebensstationen schafft eine Struktur, die dem Abend einen inneren Halt und Zusammenhang gibt, so daß beim Zuhören fast der Eindruck entsteht, Mascha Kaléko durch ihre Lebensstationen zu begleiten. Natürlich täuscht dies, in anderthalb Stunden kann man höchstens anreißen, was sich möglicherweies alles in einem Leben verbergen kann. Dies aber haben Quast und Altmann ganz hervorragend geschafft. Falls also jemand einen kleinen, aber feinen Abend verbringen möchte, sei ihm – so er die Gelegenheit hat [1] – dieser eindringlich ans Herz gelegt….

Paula Quast, Henry Altmann: „…. und sie sprechen von mir nur leise.
Im Rahmen des Lahnfestivals: „Gegen den Strom„, 14.09.2013 im Kloster Arnstein, Obernhof

Links und Anmerkungen:

[1] Homepage von Paula Quast,
[2] aus dem Gedicht: „Bleibtreu heißt die Straße“ (entnommen: Mascha Kaléko: In meinen Träumen läutet es Sturm, dtv). Gedenktafel an der Bleibtreustraße 10/11: http://www.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/bezirk/gedenktafeln/kaleko.html
[3] Ich hatte ja vor einigen Wochen so eine Art „Feuchtwanger-Periode„, in der ich dazu ein paar Sachen geschrieben habe…
[4] …. das z.B. I.J.Singer in „Die Familie Karnovski“ so plastisch beschrieben hat
[5] „Als wir zu dritt
Die Straße überquerten
…..
Ergriff ich den Arm des einen,
Der rechts von mir ging.
Nicht den des anderen,
Dessen Ring ich trug.
….“
aus dem Gedicht „Signal“, a.a.O.
[6] Beitrag der Wiki zu Mascha Kaléko

Copyright des Bildes: Ruhrnachrichten Dorsten/Sabine Bornemann / (entnommen aus: [1])

4 Kommentare zu „Paula Quast, Henry Altmann: „…. und sie sprechen von mir nur leise.“ (Mascha Kaléko)

  1. Ich stelle überrascht und mit überaus großer Freude fest, dass Sie meine liebsten Kaléko-Interpreten kennen und offensichtlich auch zu schätzen wussten. Paula Quast wird „zu einem Gesicht Kalékos“, das empfinde ich genauso, und Henry Altmann liefert mehr als eine sehr gelungene Begleitung dazu ab, „er tritt in den Dialog ein“ ist eine wunderbare Beschreibung. Vielen Dank!

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    1. ich war seinerzeit mit einer lieben freundin in der veranstaltung und uns beide haben vor rührung die tränen in den augen gestanden. es war ein großes erlebnis. diesen beitrag hier hatte ich für unser zeitung verfasst, er ist dann auch – was ich garnicht erwartet hatte – so abgedruckt worden, das war natürlich auch ein schönes gefühl für mich. ich würde paule quast und henry altmann gerne noch einmal erleben.. mal schaun….
      herzliche grüße und danke für den lieben kommentar!

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      1. Je weiter südlich Sie wohnen, desto größer ist die Chance – der Prophet gilt offensichtlich nichts in seinem Vaterland, laut Paula Quasts Webseite gastieren die beiden in meiner Gegend (Hamburg) recht selten und sind meist erheblich weiter südlich unterwegs.
        Herzliche Grüße an die Lahn (?), Christiane ;-)

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