Eric-Emmanuel Schmitt: Milarepa

Mit „Milarepa“ will Schmitt seine Tetralogie über die großen Religionen abschließen. Dazu wählt er sich die Figur des berühmten und verehrten tibetanischen Mönchs Milarepa, dessen Lebensgeschichte [1] er fast in einer Art ausgeschmückter Nacherzählung widergibt. Nun ist die tibetanische Ausprägung des Buddhismus meines Erachtens aber nicht repräsentativ für diese Weltreligion, viele magische und übersinnliche Elemente finden sich hier, die aus der alten Geschichte Tibets in diese aus dem Süden stammende, von Wandermöchen verbreitete Religion mit einfließen. Vielleicht erklärt dies, warum Schmitt für seine Erzählung über den Buddhismus diesen Weg der körperlichen Kasteiung, der physischen Qualen, mit dem der Erkenntnisgewinn verbunden ist, wählt.

Schmitt fügt in Milarepas Lebensgeschichte ein neues Element ein, ohne, daß ich erkennen kann, warum. Milarepa hat, dies geht aus seiner Lebensgeschichte hervor, in seinem Onkel einen großen Feind gehabt, der ihn und seine Familie in seiner Zeit vor dem Mönchtum beraubte und erniedrigte. Dieser Onkel, Swastika, ist im Zustand der Hasses gestorben, hat also viel schlechtes Karma angesammelt und muss durch viele Wiedergeburten gehen, bis er ins Nirwana eingehen kann. Als letzten Körper hat er sich offensichtlich Simon, der Erzähler der Geschichte, ausgesucht. Swastikas Kreislauf der Wiedergeburten ist dann vollendet, wenn die Geschichte von Milrepa 100.000 mal erzählt worden ist. Und das ist jetzt wohl soweit… aber was der Autor mit diesem Kunstgriff bezweckt, bleibt mir verborgen.

Schmitt läßt den Lehrer Milrepas lügen. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Heißt es in der Lebensgeschichte [1]: „.. Nein, nein. So sollte es nicht gebaut werden..“ legt Schmitt dem Lehrer Milarepas: „… Ich habe dich nie um einen runden Turm gebeten. ….“ in den Mund, nachdem er Milarepa wenige Zeilen zuvor aufgefordert hat: „Baue mir einen runden Turm!“.

Nein, von diesem Büchlein bin ich enttäuscht. Nichts von der Atmosphäre, der Faszination, des inneren Erlebens, das z.B. Hesse in seinem „Siddhartha“ für den Leser bereit hält, ist zu spüren. Wo Siddhartha mich im Inneren, ganz tief drinnen, berührt hat und mich zittern ließ, habe ich bei Schmitt auf die Seitenzahl geschaut und gedacht, ach, die paar Seiten liest du auch noch… Und das es leichter fällt, Böses zu tun als Gutes, selbst diese Erkenntnis unterschreibe ich nicht.

Dunkelheit. Das letzte Wort dieser Erzählung. Der Zähler ist offensichtlich auf 100.000 gesprungen und Schmitt benennt den Zustand, den man allgemein als „Erleuchtung“ bezeichnet, als Freisein von Leid und Zustand des absoluten Friedens mit „Dunkelheit“…

Links:

[1] Eine kurze Darstellung des Lebens Milarepas

Eric-Emmanuel Schmitt
Milarepa
übersetzt von Inés Koebel
Fischer TB, 92 S., 2011

Erstausgabe: Paris, 1997

2 Kommentare zu „Eric-Emmanuel Schmitt: Milarepa

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