Neulich, ich war eingeladen, suchte ich ein kleines Mitbringsel. Und wie durch ein Wunder fand ich mich in meiner Buchhandlung wieder, suchend vor den Regalen, hie und da ein Büchlein herausnehmend und anlesend. Was ich denn suche, etwas bestimmtes? so die Frage meiner Buchhändlerin des Vertrauens. Ich sagte es ihr, sie ging in den hinteren Teil ihres Ladens und kam mit zwei Büchern zurück, wie es denn mit denen wäre? Nun ja, ich habe die zwei Bücher letztlich nicht verschenkt, da ich selbst etwas gefunden hatte in der Zwischenzeit, aber .. ach, was solls, habe ich die kleinen Fastgeschenke eben für mich selbst mitgenommen. Und bei einem davon handelt es sich um diese kleine, aber feine Hausapotheke, ein „Nachschlagewerk zur Behandlung des durchschnittlichen Innenlebens“, nämlich Gedichte für den Hausbedarf des Lesers, den die „trostlose Einsamkeit des möblierten Zimmers quälen“ mag oder die „naßkalten, nebelgrauen Herbstabende“?
Und seitdem liegt dieser Band mit Kästnerscher Lyrik an einem vielbegangenen Ort im Haus (nein, ich meine den Flur). Ich nehm ihn oft, wenn ich vorbeikomme einfach in die Hand und les eines der Gedichte, bei denen man oft schmunzeln muss (der typisch Kästnersche Humor eben), und wo dann das Schmunzeln irgendwann im Hals stecken bleibt, weil auf einmal der Hintersinn, das zwischen den Zeilen stehende durchschimmert und sich im Bewusstsein breit macht.
Es ist eine seltsame Apotheke, die in ihrem Inhaltsverzeichnis die Gedichte nach der gefällten Diagnose empfiehlt. Oft aber versuchen sie, den Teufel mit dem Beelzbub auszutreiben, einsame Gedichte wenn man sich einsam fühlt, traurige, wenn man traurig ist. Aber sie helfen, das Gefühl, das einen vielleicht einfach nur einengt, die Luft nimmt, den Atem blockiert und das Herz zusammendrückt, in Worte zu fassen und damit handhabbar zu machen.
Kästners Gedichte können Tränen freisetzen, die bis zum Lesen blockiert waren, sie können unmittelbar in die eigene Gefühlswelt treffen und das anrühren, was versteckt ist. Aus der Wanduhr tropft die Zeit…… aus einem wunderbaren Gedicht, auch wenn es so unsagbar traurig ist… hier in verschiedenen Versionen auf youtube (Meine Lieblingsinterpretation ist leider aus copyright Gründen vom Netz geflogen… schade, sehr schade…).
Facit: Also, lange Rede kurzer Sinn: ein wunderschönes Büchlein, auch jetzt noch, nach über 70 Jahren. Zum Verschenken völlig ungeeignet, weil man es letztlich selber behalten will. Es sei denn, man kauft gleich zwei Exemplare.
Erich Kästner
Doktor Erich Kästners Lyrische Hausapotheke
dtv,
Erstausgabe 1936
Hab die Lyrische Hausapotheke auch im Regal, seit mehr als einem Jahr dem Stapel „demnächst Lesen“ zugeordnet. Denke jetzt wird es aber wirklich mal Zeit, Deine Schwärmerei macht mich so was von neugierig!
Gefällt mirGefällt mir
Heute ist demnächst. :-)
bei youtube kannst du dir auch schöne interpretationen der gedichte anschauen/-hören. besonders “wordlover” als sprecher gefällt mir persönlich gut….
viel spaß!
Gefällt mirGefällt mir
@all:
danke für euere Kommentare zu diesem kleinen buchschatz!
Gefällt mirGefällt mir
Ich habe das Büchlein heute erst wieder in den Händen gehalten. Es ist wirklich etwas Feines!
Gefällt mirGefällt mir
Eine wunderbare „Apotheke“ für die menschliche Seele! Lryrik zum Vergnügen, Ablenken und Nachdenken… Sollte in keiner Gedichte-Sammlung fehlen!
Gefällt mirGefällt mir
Dem ist uneingeschränkt beizupflichten. Unbedingt lesenswert sind zudem Kästners Kindheitserinnerungen und seine Erzählungen für Erwachsene „Drei Männer im Schnee“ und „Fabian“.
Gefällt mirGefällt mir
.. die Kindheitserinnerungen findest du ja schon bei mir beschrieben….
lg
fs
Gefällt mirGefällt mir
Hach ja, die hab ich schon x-mal gelesen. Schon als Kind und heute immer wieder.
Gefällt mirGefällt mir