Johan Theorin: Nebelsturm

sturm

Theorins Buch wird als Kriminalroman bezeichnet, in Schweden sogar ausgezeichnet mit dem Titel des besten Kriminalroman des Jahres. Dies im Hinterkopf stellte sich mir beim Lesen immer deutlicher die Frage: was erwarte ich eigentlich, wenn ich einen Krimi lesen will?

Nun, zuvörderst wohl eine kriminelle Handlung, die auch möglichst als solche zu erkennen ist. Dann sollten Täter da sein, auf deren Motiv, auf deren Seelenlage der Autor eingeht, bzw. wenn es ein whodunnit ist, ein Ermittler, der die Spur aufnimmt zum Täter und ihn jagd, allen Widrigkeiten zum Trotz. Und es sollte in irgendeiner Art und Weise am Ende des Buches eine Auflösung stehen.

Wie nun verhält es sich hier im „Nebelsturm“?
Die kriminelle Handlung, nun ja. Bei dem Todesfall, der auftritt, vermutet man (schließlich ist es ja ein Krimi), daß es vllt doch nicht der Unfall ist, als der er beschrieben wird. Des weiteren, in einem parallelen Handlungsstrang, gibt es noch ein Einbrechertrio, das (leerstehende, aber nicht nur) Häuser aufsucht. Und unsere Hauptperson wohnt in einem Haus, einen einsamen zudem noch. Sollte da etwa…? Wird ferner – gewieft, wie man mittlerweile ist, kann man sich dieser Vermutung kaum verschließen – die Polizistin, die seit neuestem in der Gegend stationiert ist, diese dann treffen, verhaften? Und das am Ende noch während eines titelgebenden Nebelsturms, so ca. 30, 40 Seiten vor Ende des Buches? Beim Zeus: so könnte es sein!

Nein, als Krimi würde ich diesen spannenden und gut geschriebenen Roman nicht bezeichnen, auch wenn der schon erwähnte Todesfall eine durchaus zentrale Rolle spielt. Dieses Buch beschreibt viel eher Menschen und Stimmungen in einer winterlich herben Landschaft, der schwedischen Insel Öland [1, 2], die in diesem Buch, das gegen Ende des Jahres spielt, vor allem durch Wind, Regen und Schnee charakterisiert wird.

Im Zentrum der Geschichte steht der Hof Alluden in der Nähe zweier markanter Leuchttürme. Seinerzeit, als diese gebaut wurden, lief ein großes Segelschiff auf Grund. Alle Seeleute ertranken, aber aus dem Holz, das das Schiff geladen hatte, baute man das große Haus für den Leuchtturmwärter und seine Leute. Kein Wunder, daß es hieß, ein solcher Ort wäre von einem Fluch verfolgt, die Seelen der Seeleute würden keine Ruhe finden und den Hof heimsuchen.

Diesen, einst von vielen Menschen bewohnten und jetzt lange leer stehenden Hof also kauft ein junges Ehepaar, sie ziehen dort mit ihren beiden Kindern ein. Seltsame Träume nisten jedoch sich in den Menschen ein, das unheimliche Gefühl, nicht allein zu sein auf dem Hof. Oben, in der Scheune, finden sie eine Wand, in der die Namen all der Menschen eingeritzt sind, die auf dem Hof schon gestorben sind, und es sind nicht wenige… einen kleinen Andachtsraum finden sie und sie hören von der Sage, daß all die Toten des Hofes an Weihnachten zurück kommen ….. Es fällt schwer, auf dem Hof zu leben, vor allem, nach dem der Tod auch in der Familie Westin Besuch gehalten hat….

In Rückblenden erzählt Theorin uns die Geschichte des Hofes und seiner vielen Bewohner, parallel dazu flicht er mehrere Handlungsstränge (wie oben schon angedeutet), die er dann kunstvoll zusammenführt. Natürlich ahnt man früh, worauf das Ganze hinausläuft, aber trotzdem schafft Theorin es, die Spannung aufrecht zu erhalten und sogar immer weiter zu steigern. Daß dann am Schluss tatsächlich ein Kriminalfall aufgeklärt wurde, im Vorbeigehen sozusagen, spielt eigentlich kaum eine Rolle. Und auch, inwieweit die ganzen Spukgeschichten erfunden oder erlebt sind, läßt der Autor im Dunkeln. Es könnte so sein in den langen, dunklen, kalten Nächten des ölandschen Winters, es muss aber nicht…. denn Licht und Schatten, das Heulen des Windes, das Peitschen der Wellen kann die menschliche Phantasie täuschen….

Facit: ein packender, sauber geschriebener Mix aus Familien- und Spukgeschichte, sehr gut zu lesen. Will man dagegen einen echten Krimi lesen, sollte man zu anderen Bücher greifen.

Links:

[1] Öland – wo liegt es?
[2] was gibt es drüber zu sagen?
[3] Homepage des Autors: http://www.johantheorin.com/

Johan Theorin
Nebelsturm
Piper, September 2009. HC, 446 S.
ISBN-10: 3492050913
ISBN-13: 978-3492050913

Ein Kommentar zu „Johan Theorin: Nebelsturm

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