Jasper Fforde: Der Fall Jane Eyre

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Man nehme buchstäblich alles, wirbele es durcheinander, bis kein Stein mehr auf dem anderen ist und schaffe sich dann aus diesen Versatzstücken eine neue Welt. So oder so ähnlich muss der Waliser Autor Fforde vorgegangen sein, denn irgendwie ist die Weltgeschichte bei ihm anders verlaufen als wir sie kennen….

Nur als erster Eindruck: Das Buch spielt zwar in der Jetzt-Zeit, aber England befindet sich seit vielen Jahren in einem Krieg mit dem zaristischen Russland um die Krim. Eine neue Wunderwaffe soll diesen Krieg jetzt endgültig für England entscheiden, diese Wunderwaffe ist auch einer der Haupthandlungsstränge des Buches. Ferner hat sich Wales von England abgespalten, es scheint in seiner Existenz als Volksrepublik ähnlich farbig und lebensfroh zu sein wie Nordkorea. Der Luftverkehr wird im wesentlichen mittels Luftschiffen abgewickelt und Bücher sind die Droge dieser Zeit. Geheimdienste (Special Operations, SO-1-x, x < 8 steht über dem Gesetz….) sind damit befasst, Fälscher zu jagen, Raubdrucke und -kopien zu konfiszieren, die Frage z.B. nach der Autorenschaft und Identität Shakespeares führt zu teils bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen der diversen Denkrichtungen (und wird ganz zum Schluss des Buches auf überraschende Art und Weise beantwortet)…. Daß Zeitreisen möglich sind (Special Operations der ChronoGarde) ist in so einem Universum kaum verwunderlich….. und über allem und hinter allem steht mit Goliath der Konzern, der die Strippen zieht und alles in der Hand hat… Alles? Nein, natürlich nicht, denn da ist ja noch Thursday Next, LitAg im Dienste der SO-27, Heldin des Romans, eine intelligente, furchtlose Porsche fahrende Ex-Polizistin und Veteranin des Krimkrieges, deren Gefühlswelt ein klein wenig durcheinander geraten ist .. und, ach ja, … dann gibt es da noch Acheron Hades, ihr Gegenspieler, der quasi unkaputtbare Bösewicht, ohne jeglichste Moral, mit aussergewöhnlichsten Fähigkeiten, skrupellosigst und verdorbenst, dem nichts heilig ist ausser der Bosheit, der Niedertracht und der Gemeinheit. Und der Gewalt.

Das in etwa sind einige wenige Zutaten des Romans, aus denen man so die ungefähren Stil des Buches erahnen kann….

Was passiert? Oh nein, bevor ich das beschreibe, muss ich noch die Erfinderwerkstatt von Thursdays Onkel Microft erwähnen, der sich mit Gedächtnislöscher befasst („Funktioniert der?“ -„Wer?“ – „Der Gedächtnislöscher, den du gebaut hast!“ – „Keine Ahnung, wovon du redest!“), der 2B-Bleistifte mit eingebauter Rechtschreibprüfung entwickelt, Übersetzungskohlepapier in vielen Sprachen (das Maya-Kohlepapier macht noch Probleme….), Olfaktographen (Geruchserkennungsmaschinen für die Verbrecherjagd) und auch der Netzhautschoner ist recht vielversprechend… auch wenn noch dauernd anstatt der Fische Toaster vorm Auge herumschwimmen….

Aber die Bücherwürmer.. herrlich! In ihren Genen gelang ihm die Speicherung von praktisch allem, dem Inhalt von Lexika, Thesauri, der Grammatik etc pp… (im Verlauf des Buches findet sich hier auch eine Erklärung für die immer weiter um sich greifende Verbreitung der Apostrophe in der Schriftsprache…und es wird geklärt, was passiert, wenn Buchwürmer pupsen müssen….). Und eng mit dem Bücherwürmern zusammen hängt das ProsaPortal (PP), die Königin der Erfindungen von Onkel Mircroft. Denn damit ist es möglich, in ein Buch, ein Gedicht HINEIN zu schlüpfen und dort zu leben, es ist ein Tor zwischen der realen Welt und der (realen) Welt in der Literatur. Folgerichtig wird mit oder (das geht auch) ohne PP zwischen den Welten hin und her gewechselt… langweilig wird es jedenfalls nicht. Zumal sich an den passenden Stellen auch mal das Zeitkontinuum spalten kann oder Papa Next auftaucht….

Was also passiert? Im Grunde ist es eine schnöde Erpressung, die abläuft. Hades gelingt es, das Originalmanuskript von Martin Chuzzlewit zu stehlen. Als sich noch jeder fragt, warum er dies macht, entführt er Onkel Microft mit seinem PP, schlüpft in das Buch und verändert den Inhalt des Romans auf drastische Art und Weise, indem er in die Handlung eingreift. Das Land ist schockiert, zumal bald darauf das Manuskript des Bronte-Roman „Jane Eyre“ gestohlen wird und…. nun ja, das Buch heißt ja nicht umsonst so wie es heißt und ich habe eh schon viel zu viel verraten….

Eine Geschichte also, bei der man auf Logik nicht unbedingt allzuviel Wert legen sollte, die voller skurriler Einfälle ist, voller Überraschungen und würde man sich mit englischer Literatur auskennen, hätte man sicher noch viel mehr Spaß an dem Roman. Allein die Aufführung von Richard III. im Swindoner Theater ist köstlich, so farbig, lebendig, voller Enthusiasmus hab ich Theater noch kaum erlebt…. und letztlich können wir froh sein, daß alles so abgelaufen ist, wie Fforde es beschreibt, denn wäre es nicht so, würde der Roman „Jane Eyre“ ganz anders enden als wir ihn kennen (oder auch nicht kennen…), und das wäre sicher schade!

Facit: ein Mordsspaß und Kapitel 13 wird sicher eins meiner Lieblingskapitel bleiben!

Links: es sind soviele Anspielungen im Buch, daß man vor lauter Links garnicht weiter käme. Allein die Namen der Personen, allen voran Acheron Hades. Und ganz selbstverständlich taucht auch die Frage auf alle Antworten auf.. die 42….. Deshalb nur folgende Seite, die genug Lesestoff bietet:

http://www.jasperfforde.com/index.html

Links zu den Buchbesprechungen der anderen Bände:

1: Der Fall Jane Eyre
2: In einem anderen Buch
3: Im Brunnen der Manuskripte
4: Es ist was faul
5: Irgendwo ganz anders (demnächst)

Jasper Fforde
Der Fall Jane Eyre
dtv, Juli 2007, 375 S
ISBN-10: 3423210141
ISBN-13: 978-3423210140

2 Kommentare zu „Jasper Fforde: Der Fall Jane Eyre

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