Carlos Ruiz Zafón: Das Spiel des Engels

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Hach, was ein Buch, so wie ich es liebe: eine Geschichte, eine Erzählung, die auf der ersten Seite einsetzt, auf der letzten aufhört, keinen Bruch hat, keine Länge, ein Sprachgemälde, das mich hineingezogen hat in seine düstere Welt und nicht mehr losließ… Zafón erzählt, schildert, fabuliert, erfindet Märchenbilder, beschreibt, umschreibt, spielt mit den Worten.. es macht einfach Spaß. Schon allein ein Großteil der Dialoge, die er wiedergibt, zwischen David Martin und Isabella, dem Patron oder auch Don Pedro: herrliche Wortspiele, wundersame Assoziationen, sarkastisch, ironisch, auch zynisch.. hätte man selbst doch in real etwas von dieser Schlagfertigkeit!

Die Geschichte des Buches geht bis zur Jahrhunderwende 19./20. Jahrhundert zurück, setzt aber aktuell im Jahr 1917 ein. Wenige Jahre zuvor, 1888 war die Barcelona, der Ort des Geschehens, zwar Ausrichter der Weltausstellung, uns entführt Zafón aber eher in die düsteren Teile der Stadt, durch die engen Gassen, die verlassenen Häuser.

Dort wird David Martin in ärmlichsten Verhältnissen groß. Er kommt als Mädchen für alles in einer Zeitungsredaktion unter und hat dort im Alter von 17 Jahren die Chance, einen Beitrag für die Zeitung zu schreiben. Dies schafft er mit Bravour, so daß er Förderer findet. Unter einem Pseudonym schreibt er eine erfolgreiche Serie: „Die Stadt der Verdammten“, dagegen bleibt der Versuch, unter seinem eigenen Namen einen Roman zu veröffentlichen, ohne jeglichen Erfolg. Derart frustriert, todkrank und in einer aussichtslosen Liebe verfangen bekommt er von einem mysteriösen Verleger, Andreas Corelli, ein Angebot, das er nicht ausschlagen kann. Auch die bald bei ihm keimende Vermutung, er habe diesem Verleger quasi seine Seele verkauft, läßt ihm keine Handlungsmöglichkeit.

Er wohnt mittlerweile in einem alten, lange Jahre leer stehenden Haus und findet Indizien, daß der Vorbesitzer dieses Hauses auch schon an einem ähnlichen Auftrag gearbeitet haben muss. In der Folge versucht er die Geschichte dieses vor langer Zeit Ermordeten zu ermitteln, was ihm aber nur zögerlich und ansatzweise gelingt. Insbesondere ist beunruhigend, daß praktisch jeder, den er befragt und der mit der alten Geschichte zu tun hat, ums Leben kommt….

Spätestens hier fielen mir die Ähnlichkeiten im Plot zu dem Film „Angel Heart“ (Alan Parker, 1987 [1, 2]) auf: war es dort der heruntergekommene Privatdetektiv übernahm hier der erfolglose Schrifsteller seinen Part, dort Louis Cypher hier Andreas Corelli (A.C. : Anti-Christ, wie ich in einer amazon-Kundenrezension als Vermutung gelesen habe), hier wie dort sterben die Befragten… Man müsste sich jetzt den Film noch mal anschauen, um mehr dazu sagen zu können.

Natürlich findet auf 720 Seiten mehr statt als das wenige, was ich angedeutet habe. Bücher spielen eine Hauptrolle in dem Roman, die Liebe zu den Büchern, die die Seele dessen verwahren, der sie geschrieben hat, die Seelen der Leser.. die erfolgreichen bedürfen des Schutzes nicht, die nicht erfolgreichen, ungelesenen, diese werden im Friedhof der vergessenen Bücher in der Mitte Barcelonas verwahrt und warten darauf, einen Beschützer zu finden. Ein schönes, romantisches, naives Bild.

Ferner ist es die Liebe, die sich durch das Buch zieht, die Sehnsucht Davids nach Cristina, die für ihn unerreichbar seinen besten Freund und Förderer heiratet, ein Verlust, den er nicht verwindet.

Ist die Geschichte, die Zafón erzählt, in sich schlüssig oder bleiben, wie ich in andren Buchvorstellungen gelesen habe, zuviele Fäden gegen Ende des Buches offen? Ich weiß es nicht, es wird im letzten Abschnitt viel gestorben, viel gemordet, es fließt Blut. Verrat spielt eine Rolle, Korruption, Macht, Einfluss und Intrigen. Vielleicht ist nicht alles im Sinne eines Kriminalromans schlüssig, aber ich habe diese Geschichte mehr wie etwas märchenhaftes gelesen, in dem es um Menschen geht, die ihre Seele um des Erfolges wegen verkaufen und die trotzdem nicht glücklich werden, sondern ihr Leben lang gejagte bleiben….

Links:

[1] http://www.die-besten-horrorfilme.de/horror/modules/horror/kunde/view.csp?id=925
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Angel_Heart
Facit: Ein absolutes Lieblingsbuch von mir, das erste Werk Zafóns („Der Schatten des Windes„) werde ich mir selbstredend auch besorgen!

Carlos Ruiz Zafón
Das Spiel des Engels
S. Fischer; 2008, 720 Seiten
ISBN-10: 3100954009
ISBN-13: 978-3100954008

7 Kommentare zu „Carlos Ruiz Zafón: Das Spiel des Engels

  1. nach „der schatten des windes“ war ich auf neues aus zafons feder sehr gespannt – und wurde mit dem oben besprochenen buch leider etwas enttäuscht. die handlung kam mir eindimensional vor, ebenso die figuren. trotzdem ein schönes buch und um längen besser als vieles, was sonst so auf den markt geworfen wird.

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  2. Genau die Zeit, die ich liebe und die von Verlagen so gar nicht geschätzt wird. Von deutschen zumindest, wenn man als Autorin mit Themen und Exposés vorspricht. Zitat: „Bitte kein Thema, das nach 1880 bis heute handelt … Mittelalter oder Renaissance wäre gut.“ *grrrr*
    Deine Rezi klingt sehr vielversprechend so wie viele deiner Besprechungen in deinem wundervollen Block, mein Lieber. Und wie viele dieser besprochenen Bücher wandert auch dieses auf die Liste der „books wanted“, die ich in Erwartung ruhigerer Zeiten immer wieder ergänze.
    Zafón 1 steht da auch, das Buch steht sogar schon auf dem Kaminsims und schaut mich jeden Tag anklagend an … Na ja, irgendwann

    Ich wünsch dir ein gutes Neues und die Entdeckung vieler wundervoller Leseschätze

    Alles Liebe
    Elke

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    1. Ja, wenn man sich das überlegt, diese Zeit im Aufbruch, zum Teil noch im Alten verhaftet, das Neue, die technischen Entwicklungen etc schon am Horizont (auch im Ruiz-Zafónschen Buch, in dem sich z.B. David standhaft weigert, sich einen Telefonanschluss legen zu lassen.. er will die Menschen sehen, mit denen er redet…), diese Reibungsflächen bieten alle Möglichkeiten: es sind eben noch keine autogerechten Gassen überall in den Städten, es ist dunkel dort, es riecht noch nach allem Möglichen….
      Ich werde mir das erste Buch von Zafón jetzt auch „besorgen“, im allgemeinen wird es ja (noch) positiver bewertet, obwohl ich denke, daß dies dem Nachfolgeband, der es immer schwerer hat, gegenüber nicht gerecht ist.

      ganz lieben dank dir für deine Kommentar
      abgesehen von der freude, dich mal wieder hier zu begrüßen!

      alles liebe auch für dich
      fs

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  3. Ja, du hattest ja schon mal gesagt, daß dir das erste Buch von Zafon nicht soo gut gefallen hätte. Es täte mir aber leid, wenn der letzte Absatz dir den Appetit auf dieses Werk verdorben hätte, auch das letzte Kapitel ist natürlich lesenswert und führt den Lesespaß ungemindert fort, ungeachtet der Zuspitzung der Ereignisse!

    Und ich harre jetzt freudig der Worte, die du über Perlmanns Schweigen beredt von dir geben wirst!

    lg
    fs

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  4. Bis zum letzten Absatz dachte ich mir: Okay, vielleicht versuche ich es doch noch mal mit Zafon. Weil das alles wirklich toll klingt, so wie du es schreibst, und ich schon richtig neugierig auf die Geschichte wurde. Aber das, was du über das Ende schreibst, hat mich wieder ernüchtert, weil ich mir vorstelle, dass da dann auf einmal alles überdramatisch wird (unnötig dramatisch) mit den vielen Toden etc.; sowas mag ich gar nicht. Ich werde mir das Buch mal ausborgen, dann muss ich mich nicht ärgern, Geld dafür ausgegeben zu haben, falls ich mit meiner Einschätzung richtig liege ;-)

    Aber abgesehen davon freut es mich, dass du so ein tolles Buch für dich entdeckt und eine schöne Lesezeit damit verbracht hast! Mir geht es gerade so mit „Perlmanns Schweigen“ (Pascal Mercier), das ich seit gestern lese und das wie für mich gemacht zu sein scheint.

    Lg, Eva

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