Ornela Vorpsi: Das ewige Leben der Albaner

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Die Autorin beschreibt in ihrem Buch episodenhaft ihre Kindheit und ihre Jugend in Albanien, einem Land, in dem die Männer beschlossen haben, davon auszugehen, daß Gott das Leben geschaffen hat, um die Zeit so angenehm wie möglich zu verbringen. Und dies heißt, den Tag im Café zu verbringen und den Frauen nachzustarren. Und das Thema Frauen gründet sich auf eine einzige Annahme: „Ein hübsches Mädchen ist eine Hure, ein hässliches – die Ärmste! – ist keine“.

In diesem Land gibt es einen Spruch, einen weisen Spruch: „Solange du lebst, hasse ich dich, sobald du tot bist, trauere ich um dich!

Was ein Büchlein – gemessem am Umfang. Was ein Buch, gemessen an der Kraft, an der Intensität, an der Wucht, die in ihm steckt!

Manche der Episonden sind wie kleine Rätsel aufgebaut. Zwei Beispiele:

Der Vater kommt, da er behauptete, die Kartoffelernte würde dieses Jahr schlecht, als politischer Gefangener ins Gefängnis. Eines Tages dürfen Mutter und Tochter ihn besuchen. Die Tochter, die ihren Vater kaum wieder erkennt, findet sein Gesicht sehr seltsam. Ein paar Absätze später stöbert die Tochter in einem kleinen Säckchen herum und findet dort echte Zähne und Zähne aus Gold. Die Zähne, die man ihrem Vater ausgeschlagen hatte: „Das also fehlte im Gesicht meines Vaters.“

Die Ich-Erzählerin spielt mit ihrem Cousin Ritterspiele und beide brauche ein Schwert. In einer Amphore im hintersten Teil des großmütterlichen Gartens finden sie etwas, was sie als Schwerter verwenden. Als die Großmutter sie damit spielen sieht, bricht sie zusammen. Langsam kommt das Geheimnis zutage: es sind die Oberschenkelknochen des Onkels, mit denen die beiden gespielt hatten. Dieser war im Alter von 17 Jahren erschossen worden. Als politischer Fall dürfte er nicht begraben werden, sondern musste im Freien verwesen. Heimlich hatte die Familie den Leichnam nach einigen Tagen gerettet und versteckt.

Praktisch jeder Absatz dieses Buches ist mit solchen lakonisch, unaufgeregt geschilderten Anekdoten voll. Ob es um die Schule geht, den See in der Nähe Tiranas, in dem sich vor allem in Unehre gefallenen Frauen ertränken, immer sind es die dunklen Seiten des Lebens, die hervortreten. In der Summe ergeben sie ein Bild von einem Land, einem politischen System, das einen erschaudern läßt.

Ich habe das Büchlein in einem Schwung durchgelesen, es hat mich nicht losgelassen….

Facit:Kein ganz einfaches Buch. Aber ein lohnendes.


Ornela Vorpsi
Das ewige Leben der Albaner
Zsolay, 2007
ISBN: 978-3552054035

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